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Das mobile Journalistenbüro
auf Deutschlandreise

Tagebuch: Börde, Wahltag, Schluss

27.09.2009 9:22, Malte Göbel
tagebucgpartkneuFoto: Lu Yen Roloff

Am Wahlsonntag ist es kalt – jedenfalls zunächst, denn ganz unsonntäglich stehen wir so früh auf wie nur irgend möglich, um noch den Posting-Endspurt zu starten. Daniel S. ist in Haldensleben auf die Suche nach Nichtwählern gegangen und fährt mit Jörn gleich weiter zum Altersheim, um noch mehr zu finden. Lu Yen und Malte schreiben am Rückblick für Spiegel Online, Daniel P. schneidet Audioslides und feilt am Konzept für den Wahlbeobachter-Film, der später am Tag geplant ist.

Vor lauter Arbeitswut (interne Deadline für Artikel für Spiegel Online: 12 Uhr Mittags) verschieben wir die Öffnung unseres Wahlfahrtwagens und bleiben erstmal in Hundisburg, sind die ersten Gäste im Schlosscafé und werden dann sowohl von Personal als auch Besucher_innen größtenteils im fortgeschrittenen Alter misstrauisch beäugt, wie wir mit Augenringen vor Laptops sitzen, anstatt Sahnetorte und Filterkaffee mit Schuss zu genießen. Die Sonne schwingt sich empor, und es wird heiss. Auf früheren Stationen hatte solch ein Wetter besondere Namen, war nach Bomben oder Hohenzollern benannt, wir taufen es ganz demokratisch “Wahlwetter”.

Mittags sind die Mails an SpOn geschickt, und wir machen uns auf nach Haldensleben. Das sei Sonntags ziemlich tot, wurde uns am Vorabend in der Pizzeria gesagt, aber einige Leute sind doch unterwegs. Inzwischen ist es bullig heiß, wir posten Artikel, essen Eis, statten dem Wahllokal um die Ecke einen Besuch ab – ziemlich leer, aber das bestätigt auch nur unseren Gesamteindruck der Wahlfahrt: Die Beteiligung sinkt.

Am Spätnachmittag dann kurze Panik: Das Internet ist weg! Glücklicherweise hilft uns Ivar Lüthe von der Volksstimme Haldensleben aus der Patsche und lässt uns kurz die Redaktionscomputer nutzen. Danke nochmal! Dann eilt er ins Rathaus zur Stimmauszählung, wir gehen zurück zum Wagen, das Internet ist wieder da, die ersten Hochrechnungen auch. Und für uns die Luft raus.

Am Abend noch Politurarbeiten, Daniel P. und Jörn schneiden den Film, die anderen werkeln an der Seite herum, gucken nebenher Elefantenrunde, immer neue Hochrechnungen und dann Star Wars. Dann ausschlafen, nach Berlin fahren, Abschiedsaufnahmen vor dem Reichstag, Wagen ausräumen – und feiern.

Tagebuch: Ein Prosit der Gemütlichkeit

25.09.2009 9:19, Lu Yen Roloff

Auf der Suche nach unserer Unterkunft im Schloß Hundisburg landete die Wahlfahrt09 aus Versehen in der alten Ziegelei auf einem Oktoberfest. Weils so schön war, blieben wir gleich da. Prost!

Tagebuch: Über Magdeburg in die Börde

25.09.2009 1:01, Malte Göbel
Foto: Jörn Neumann

Viel zu kurz sind wir in Magdeburg, wo wir von Anja Schlender noch unterstützt werden. Sie kümmert sich um die jungen Parteien vor Ort (Piratenpartei und die Jugendpartei “Future”), Daniel S. geht mit Jörn auf Suche nach Frauen und deren politischer Meinung, weil wir einfach viel zu viele Männer auf der Seite haben, Malte und Lu Yen jetten nach Halle, um dort internationale Wahlbeobachter zu treffen und über den Wahlkampf zu interviewen.

Unser Wagen steht am Rand der Fußgängerzone. Auf dem Weg dorthin verfahren wir uns glücklicherweise, erhaschen so Blicke auf den Dom und das Hundertwasserhaus. Dann verschafft uns die eilige Frau Frost Strom, sie schimpft im Vorbeilaufen mit Markthändlern, die ihren Stand falsch aufgebaut haben. Die Menschen sind hier kontaktfreudig, immer wieder kommt jemand vorbei und setzt sich, einer erzählt ausführlich, warum das Gesundheitssystem seiner Meinung nach die Menschen eher umbringt als sie zu heilen und wirbt eindringlich für Rohkost.

Wir schlafen in den äußerst großzügigen Räumlichkeiten des CVJM Magdeburg, etwas karg vielleicht, aber trotzdem hat es irgendwie Flair. Am letzten Tag sind wir traurig, schon weiterfahren zu müssen, weil die Leute so nett sind – “wenns in Haldensleben doof ist, kommt doch einfach wieder zurück zu uns”, sagt uns die CVJM-Chefin, und wir sind versucht, das Angebot ungesehen anzunehmen, fahren dann aber doch weiter. Nur Anja bleibt und nutzt von nun an vielleicht den Band-Proberaum des CVJM.

Obwohl wir uns mit beiden Autos prompt verirren, trotz Navigationsgerät, schlagen wir zielsicher nicht an unserem Übernachtungsort, sondern auf dem lokalen Oktoberfest auf. Alles weiß-blau, die Leute haben Lederhosen und Dirndl an, es gibt Bier und Fleisch in rauhen Massen – und kein einziger Bayer anwesend! Das sagt jedenfalls Frau Krause, die in der Orga mit drinhängt und gleichzeitig unsere Unterkunft managet – im (oder direkt am) Schloss Hundisburg bei Haldensleben.

Nach Nächten in Zelten und Gemeindesälen setzt Schloss Hundisburg den vielfältigen und immer schönen Wahlfahrt-Übernachtungen gewissermaßen eine höchst zauftige Krone auf: Das Gebäude ist ein Hybrid aus Trutzburg und Barockschloss, mit streng französischem und sanft englischem Landschaftsgarten daneben, innen drin mehrere Herbergen, ein Öko-Museum, repräsentative Räume, Studio, Tischlerei, Konzert-Scheune – eine vielfältigere Nutzung kann man sich kaum vorstellen. Der perfekte Ausgangspunkt für unsere letzte Station: den Landkreis Börde, wo 2005 die niedrigste Wahlbeteiligung war.

Tagebuch: Im Sekundenschlaf nach Magdeburg

24.09.2009 17:17, Daniel Stender
20090924_tagebuch_fahrtFoto: Jörn Neumann

Lagerfeuer, Fußballspielen auf der grünen Wiese, piekendes Stroh und rauschende Kastanienbäume haben wir hinter uns gelassen. Der Aufenthalt in Harrys Heuhotel bei Lüchow war sehr idyllisch, fast zu schön um wieder wegzufahren!

Kurz hinter Salzwedel beginnt die Realität: Hunger. Daniel P., Jörn N. und ich (Daniel S.) beginnen von Pommes zu träumen. Mit jedem Kilometer werden die Portionen größer. Als wir endlich irgendwo halten, schaufeln wir viel zu viel viel zu schnell in uns rein – Bauchweh!

Wenig später spielt Daniel (der andere) Sekundenschlaf am Steuer, während Jörn die entsprechenden Fotos macht. Im Radio läuft ein Sender, der von sich behauptet der “neue Sound” zu sein – tatsächlich laufen aber immer nur Sachen wie “song 2″ von Blur. Mitsingend erreichen wir unsere nächste Station: Das CVJM-Heim in Magdeburg.

Tagebuch: Den Schlaf im Heuhaufen finden

23.09.2009 12:13, Malte Göbel
20090923_tagebuch_heuhotelFoto: Jörn Neumann

Die Sonne scheint, in der Ferne rauscht die Landstraße (wo die Laster die Autobahnmaut umgehen), ein lauer Westwind treibt gemächlich die letzten Schäfchenwolken über den Himmel. Im Wendland erlebt die Wahlfahrt mal wieder Natur pur. Die Landschaft ist nicht spektakulär, flaches Land mit Gras, Kühen oder Getreide – und überall gelbe Kreuze und Referenzen zu der Atomsache, wegen der wir ja hier sind.

Wir schlafen im Heuhotel Reddebeitz, Teil eines Rundlings – dieses Haufendorfes, das wie aus dem Erdkundebuch geschnitten scheint. Heuhotel-Chef Harry, mit Irland/Wales-Faible und natürlich aktiv in der lokalen Anti-Atom-Bewegung, erklärt uns das ganze: Allergiker kriegen Zimmer, sonst gibt es noch ein Matratzenlager, aber eigentlich schläft man im Heu. Schön, aber als ich die Nase ins Heu stecke, denke ich, nee, eigentlich bin ich ja allergisch und so, lieber die Matratzen.

Doch dann der letzte Abend: Abendsonne, Lagerfeuer, Bauernhofromantik at its best, Salle und Daniel S. tauschen Geschichten über ihre ersten Treckerfahrten aus. Ich könnte nur mit frühkindlichen U-Bahn-Erfahrungen dagegenhalten. Nicht genug. Die rurale Idylle flüstert mir mit Jeans Team ein: Oh Bauer, nimm mich mit auf die Felder, oder besser doch ins Heu.

Lu Yen gibt eine Allergietablette, und ich wage mich ins Heu. Es ist weich und warm, das erwartete Kleintiergekrabbel bleibt zunächst aus. Aber auch der Schlaf. Die Wahlfahrtler um mich rum geben recht bald regelmäßige Atemzüge von sich (größtenteils übrigens auch per Chemie gegen Allergie gewappnet), ich gucke in alle Richtungen, dämmere etwas vor mich hin, fahre hoch, weil es doch raschelt und trippelt, schließe die Augen ganz fest, aber statt dunkel wird es gelb, der Duft vom Heu ist überall, alles Kapuzen-hochziehen oder Schlafsack-Mummeln hilft nichts. Kein Schlaf.

Die Zeit vergeht. Ich auch. Irgendwann habe ich keine Lust mehr zu warten, klemme den Schlafsack unter den Arm und gehe nach draußen. Hier ist es dunkel und still, sogar die Landstraße hört man kaum. Tausche Heuromantik gegen Sternenhimmel. Ist doch auch was.

Tagebuch: Hochburg des Widerstands

22.09.2009 15:11, Joern Neumann

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Fotos: Jörn Neumann

Nach einem kurzen Spaziergang steht fest: Fachwerkhäuser gibt es viele in Lüchow. Der Ausblick vom Amtsturm, der zum Schloss der Graftschaft Lüchow gehörte, lenkt den Blick auf Fachwerkhäuser in einer grünen Weite. In der Ferne stehen Windkrafträder. Gorleben und das Zwischenlager für abgebrannte Brennstäbe sind nicht in Sicht. Dafür aber im Stadtbild von Lüchow: Das gelbe X, Aufkleber gegen Atomkraft und nicht zuletzt das Büro der Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg e.V. im Stadtzentrum sind Anzeichen für den seit über 30 Jahren andauernden Kampf gegen die Atomindustrie. Wir haben die Eindrücke im Bild festgehalten.

Tagebuch: Wruken an der Ostsee

19.09.2009 12:27, C. Salewski

Es ist merklich kühler geworden. Eigentlich müsste man in der Sonne sitzen, um nicht zu frösteln. Sonne aber bedeutet schlechte Sicht auf den Laptop. Ein Dilemma geradezu existentiellen Ausmaßes also: Frieren oder erblinden. Die Wahlfahrt ist in Wismar auf die fundamentalen Fragen zurückgeworfen.

Das ist natürlich und selbstredend alles kein Vergleich zum Kriegswinter 1916/17. Als in den Schützengräben die Landser bei Minus 22 Grad froren und die Menschen an der Heimatfront ob einer Kartoffel-Missernte hungerten. Damals war es ein Gemüse mit dem wenig einprägsamen Namen Wruken, das viele Leben rettete. Wo die so bezeichnete Steckrübe ursprünglich wech kommt, wie man hier sagt, ist bis heute nicht restlos geklärt. Manche vermuten Skandinavien. Man könnte den Alten Schweden fragen, der gegenüber am Marktplatz ein offensichtlich gut gehendes Restaurant gleichen Namens betreibt. Das ist aber ohnehin eher eine botanische Frage, die uns vom Thema weg-, Pardon, wechführt. Wichtig ist, dass die Wruken alles enthalten, was groß und stark macht: Traubenzucker, Eiweiß, Fett, alles drin, was man braucht.

Und so ist es quasi ein Geschenk des Himmels, dass Frank Hapke direkt neben dem Wahlfahrt-Mobil seine Gulaschkanone in Stellung gebracht hat. Der Mann aus Neubukow verkauft auf dem Wismarer Wochenmarkt Wrukeneintopf. Portion Drei-Fuffzig, mit Wurst vier Euro, „auch zum Mitnehmen“.

Überhaupt kann die Wahlfahrt aus Wismar – Achtung hölzerner Übergang – so einiges mitnehmen. Etwa, dass der Ostseefischer als solcher eher pressescheu ist, wegen der schlechten Erfahrungen undsoweiter. Ein Problem, dass man mit der kommunalen Politik nicht hat. Der Presssprecher der Stadt winkt schon Mal aus seinem Rathaus-Fenster im dritten Stock, wenn man ihn am Telefon hat, und der stellvertretende Bürgermeister kommt spontan ans Wahlfahrt-Mobil, um über die Krise der Werften zu sprechen. Die Werft ist ohnehin das, was die Leute hier umtreibt, ist ihre Zukunft doch mehr als ungewiss.

Von der Mole im Alten Hafen aus blickt man auf die Kräne, die jetzt dem Russen gehören. Eine maritime Skyline zum abendlichen Rotwein. Danach geht es in die Fachhochschule. Genächtigt wird in einem Akt-Atelier zwischen Holzstaffeleien. Die zugehörigen Modelle… ach, lassen wir das. Man muss ja nicht jede kalauernde Steilvorlage und so. Jetzt erst mal Wruken.

Tagebuch: Idylle im Wahlkampfsturm

15.09.2009 14:39, Ute Zauft

Guido kommt, wir gehen. Gerne hätten wir noch den Wahlkampfauftritt von Guido Westerwelle in Osnabrück mitgenommen, aber Breitenfelde ruft. Kurz sprechen wir noch mit einem Osnabrücker FDPler, der beim Aufbau der Bühne hilft: Guido werde auch über den weltweiten Abbau der Atomwaffen sprechen, erzählt er. Passend zur Friedensstadt Osnabrück und zu seinen Ambitionen als zukünftiger Außenminister.

Nicht ganz so traurigen Herzens hingegen verlassen wir unsere fensterlose Unterkunft, bedanken uns aber umso herzlicher beim Osnabrücker Sportclub, der uns freundlicher Weise aufgenommen haben. DANKE! Ein paar seiner 8000 (!!) Mitglieder hatten uns an den Abenden davor mit Tipps versorgt, wo am Besten das Kanzlerduell zu beobachten ist.

Und nun Breitenfelde: Wir stehen vor der Kirche (roter Klinker), neben der Sparkasse (roter Klinker), schräg gegenüber von Siemers Gasthof (roter Klinker)… Ruhig ist es hier, da ist proaktive Recherche angesagt: Christian lässt sich beim örtlichen Friseurmeister die Haare schneiden und plaudert mit ihm ein bisschen über Politik. Breitenfelde ist ein Ort mit Traditionsbewusstsein: Die Familie des Friseurs wohnt schon seit dem 18. Jahrhundert hier. Eines unserer Themen in dieser Idylle: Landtagswahlkampf in Schleswig-Holstein: Hier wird noch gekämpft und nicht Softball-duelliert. Heute Abend bricht ein Teil der Crew zu Münte nach Lübeck auf. Später gehts zurück zur Jugendherberge und am besten früh ins Bett, denn die Kinder der Klasse 5d sind sehr früh munter und haben einen ziemlich jugendlichen Musikgeschmack.

Tagebuch: Langer Flohmarkt in Osnabrück

13.09.2009 14:41, Lena Brochhagen

flohmarkt_tagebuchDer Sonntag beginnt mit einer kalten Dusche, wir sind schnell wach. Auch draußen kaltes Wasser: Es nieselt, als wir am Bauwagen ankommen. Die Bundestagswahl muss im Interesse der Wahlberichterstatter dringend in wärmere Monate vorverlegt werden, finden wir.

Die Innenstadt ist trotz Herbstwetters voll, die Osnabrücker bummeln durch die Fußgängerzone. Seit gestern Abend ist hier Nachtflohmarkt; das gibt’s unter freiem Himmel nur hier, sagt der Marktaufseher.

Gestern um 19 Uhr haben wir unsere Bierbänke eingeklappt, da hatten schon die ersten Verkäufer ihr altes Kinderspielzeug, Weingläser und Klamotten auf Tapeziertischen ausgebreitet. Als wir um 22 Uhr eine Kneipe suchen, die heute das TV-Duell zwischen Merkel und Steinmeier übertragen wird, drängeln wir uns mit Tausenden Osnabrückern über den Markt.

Die Einheimischen sind besser ausgerüstet als wir, sie leuchten die Ware mit Taschenlampen an, während wir kaum was sehen. Bis zum Mittag an diesem Sonntag halten viele Verkäufer durch; in dicke Decken gehüllt.

Im Theater, vor dem unser Bauwagen steht, wird schon geprobt: Erst hörten wir unartikulierte Gesänge mit Horn-Begleitung, jetzt probt eine Frau Opernarien. Wir flüchten in den Osnabrücker Dom, ein bisschen Sightseeing. Mit seinen hellen, schmucklosen Mauern ist der Dom erstaunlich schlicht für eine katholische Kirche. Es riecht nach Weihrauch.

Dann verlässt uns leider unser Pavillon; der Wind weht ihn nach oben, die Stangen sind verbogen. Bisher konnten wir ihn noch mit Gaffa-Tape flicken, jetzt ist er endgültig hin. Also quetschen wir uns zu viert in den Bauwagen. Die Sanitäter vom Malteser-Hilfsdienst helfen uns beim Abbau der Pavillonreste und schenken uns Kaffee. Wir revanchieren uns mit Bionade.

Überhaupt sind die Leute hier freundlich, hilfsbereit und norddeutsch-gelassen. Der Eindruck: Kontrast zu Marxloh. Hier ist im Großen und Ganzen alles in Ordnung. Die Osnabrücker sind gut gekleidet, irgendwie tragen hier fast alle teure Lederschuhe, und sie passen auf, dass wir keine Zigaretten auf dem Theatervorplatz austreten, das kostet zehn Euro. In Marxloh war so etwas das geringste Problem.

Inzwischen prasseln dicke Tropfen an die Bauwagen-Fenster. Also arbeiten wir auf, was liegen geblieben ist, und bereiten uns auf heute Abend vor: aus zwei Kneipen, mit Jungwählern und der Piratenpartei wollen wir heute das Duell Merkel-Steinmeier gucken.

Tagebuch: Von Marxloh bis Osnabrück

11.09.2009 18:11, JC Kage

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Marxloh steht noch unter dem Eindruck des Hausbrandes. Ein freundlicher älterer Herr mit grauem Haar und Sandalen kommt an unser knallorangenes Rollbüro. Es stellt sich heraus: Er ist ein Mönch, auch ohne Kutte. Er kennt die Menschen hier im Viertel seit Jahrzehnten. Er erzählt uns von dem Schrecken, der Trauer und der Solidarität nach dem Brand. Drei Kinder und eine Frau sind gestorben. Das hat die Marxloher zusammen gebracht, egal woher sie stammen. In seine Sammelbüchse haben Libanesen, Türken und Deutsche Scheine oder Centmünzen gesteckt. Der Erlös soll den Überlebenden zu Gute kommen.

Neben uns sitzen zumeist hagere Marxloher ohne Arbeit auf den Bänken. Manch einer trinkt schon morgens sein Bier. Genauso wie in der “Marktklause” gegenüber (die uns netterweise den nötigen Strom liefert), wo schon um 10 Uhr die Theke gut besetzt ist.

Brautmodengeschäfte dominieren den Einzelhandel. Die große neue Moschee steht vis à vis einer häuserumschlossenen Brache und sieht sehr schmuck aus. Wenige Gebäude weiter flattert die deutsche Fahne am übergroßen Mast vor einem Privathaus. Ansonsten erinnert Marxloh an Köln-Mülheim, bzw. Berlin-Neukölln. Rauer Charme. Duisburg selbst umgibt ein Geflecht aus Autobahnen, Kanälen und Industrieanlagen. Schön, wie die Toskana vielleicht nicht, aber herzlich ehrlich.

Stippvisite nach Essen. Eine Gruppe von Unternehmerinnen mit so genanntem migrantischen Hintergrund zeigt, dass das Thema Integration eben auch erfolgreiche Seiten hat.

Stippvisite zwei: Die “Wahlgang” hat zum Erstwähler-Ortstermin geladen in Gevelsberg. Die 13. Stufe des örtlichen Gymnasiums soll die Positionen der Parteien zu bestimmten Themen in einer “Simulation” kennen lernen. Eigentlich hätten die Schüler schon ins Wochenende verschwinden können, jetzt müssen sie Politik spielen. Hartes Brot.

Unsere nächste Station Osnabrück erreichen wir in der einbrechenden Dunkelheit. Unser neues Domizil ist der Keller eines Sportzentrums. Bunkerflair. Wir schlafen auf Judomatten. Wahlkampf eben.

Wir bauen uns schön früh neben dem Theater auf. Kurz darauf kommt die Feuerwehr, die wegen des Nachtflohmarktes eine mobile Feuerwehrwache in Form eines Containers ablädt. Ein Klezmermusiker hat das Pech nicht vor Ort zu sein, als das hiesige Ordnungsamt seinen Wagen abschleppt. Wir hatten noch versucht, ihn auf dem Markt zu finden – vergebens. Nun steht sein Riesenxylophon neben uns, während er sein Fahrzeug auslöst.

Wir schneiden, schreiben und bereiten uns auf das Wahlduell Merkel/Steinmeier vor. Die Wahl rückt spürbar näher.

Tagebuch: Im Schatten des Stahlwerks

08.09.2009 14:14, Malte Göbel

Duisburg-Marxloh, wir sind gut angekommen und nächtigen in der Jugendlehrgangsstätte Schwegern in Duisburg-Hamborn – vom Setting her erinnert es etwas an Sigmaringen, nur dass hier nicht das Schloss über allem thront, sondern das Stahlwerk, rostbraun und irgendwie erhaben. Geradezu malerisch liegt davor ein Sportplatz und ein geschwungenes Gründerzeitgebäude mit Kabinen und der Lehrgangsstätte. Eine Joggerin zieht einsam ihre Runden, während wir in vorerst reduzierter Teamstärke die Duisburg-Themen besprechen.

Denn Uli, Lu Yen und Milos sind in Köln, um einen Auftritt von SPD-Kanzlerkandidat Steinmeier zu begleiten und mitzunehmen. Alles um die Ecke. Währenddessen kümmert sich Neuzugang Lena B. um die lokale CDU-Abspaltung “Junges Duisburg”, denen die langjährige CDU-Dominanz der Lokalpolitik zu viel Filz erzeugte. Duisburg ist nämlich eine konservativ regierte Insel im sonst so roten Ruhrgebiet. In Marxloh, dem eher migrantisch dominierten Stadtteil im Norden direkt am Stahlwerk, sieht es natürlich eher CDU-kritisch aus – viele Bewohner_innen dürfen aufgrund fehlender Staatsangehörigkeit sogar gar nicht wählen. Dem werden Ute und Malte nachspüren, die gleich dem lokalen Stadtentwicklungsbüro einen Besuch abstatten.

Während Ghetto-Kids auf Rasenmäher-Mofas vorbeiknattern und so auch für olfaktorische Begleitung unserer Ruhrgebiet-Recherche sorgen, brummt in der Ferne beruhigend das Stahlwerk, das uns später hoffentlich sanft in den Schlaf wiegen wird.

Tagebuch: Sonntag in Wiesbaden

06.09.2009 14:58, Ute Zauft

Wiesbaden Tagebuch
Im Hintergrund plätschert ein Brunnen, unter den Platanen sitzen ein paar Sonntagsspaziergänger. Heute ist es ruhig, doch gestern war Wahlkampf in Wiesbaden: Als wir mit dem Wahlfahrt09-Mobil auf den Mauritiusplatz rollten, waren die Grünen schon da, kurz darauf bauten auch SPD, CDU, FDP und die LINKE ihre Wahlkampfstände auf: So unmittelbar haben wir den Wahlkampf auf der Wahlfahrt noch nicht mitbekommen. Lu Yen macht gleich den Test und die Runde: Welche Partei würde sie von ihrem Programm überzeugen können?

Wiesbaden wurde lange Zeit nachgesagt, dass es die höchste Millionärsdichte in Deutschland habe. Auch deswegen sind wir hier und fahren staunend an den prunkvollen Villen aus der Kaiserzeit vorbei. Derweil diskutiert auf dem Marktplatz ein Hartz-IV-Empfänger mit der wahlkämpfenden Heidemarie Wieczorek-Zeul darüber, dass 351 Euro nicht zum Leben reichen. Die rote Heidi hört ein Weilchen zu.

Und sonst? Wiesbaden ist bunt, zumindest im Rathaus: Seit 2006 regiert hier Jamaika. CDU, FDP und Grüne haben sich zu einer Koalition zusammengeschlossen. Das ist gerade für die Grünen nicht immer einfach. Und zumindest beim Bundestagswahlkampf auf dem Wiesbadener Mauritiusplatz werden die Differenzen deutlich: Zwischen CDU und Grünen steht die SPD.

Tagebuch: Adieu, Leidingen

05.09.2009 19:41, Ulrike Linzer

Wir verlassen das herbstliche Leidingen, durch das der Regen peitscht und Sturmböen die Gullideckel-Baustellenumzäunung wegfegen, leider schon nach zwei Tagen, da wir in Wiesbaden Termine haben. Eigentlich wären wir gerne noch geblieben, denn die Leidinger sind eine echte Herausforderung: Sie kommen kaum aus ihren Häusern und erst recht nicht zum Wahlfahrtstand. Nachdem einzelne Hundeausführer kurz Stopp machen, kommt für unseren Fotografen erst am Abend das Highlight: eine Mofatour mit Jugendlichen aus dem Ort. Er fotografiert vom Rücksitz.
Einen gepflegten Spaziergang unternehmen wir mit dem Schriftsteller und Liedermacher Alfred Gulden und dem Ortsvorsteher Wolfgang Schmitt, die ein gemeinsames Kunstprojekt über die Grenze planen. Gulden ist gewissermaßen Leidingen Grenz-Experte, er hat hier 1983 den preisgekrönten Dokumentarfilm “Grenzfall Leidingen” gedreht und viele Anekdoten zu erzählen. Er selbst stammt aus dem nahegelegenen Saarlouis und ist mit Oskar Lafontaine zur Schule gegangen. Noch heute ist er mit dem Parteivorsitzenden der Linken befreundet und erklärt die Mentalität der Saarländer und warum sie 21,3 Prozent Lafontaine gewählt haben – und nicht die Linkspartei.

Noch einmal vielen Dank an Herrn Schmitt, der uns vor Regen und Sturmböen bewahrt hat, und an Vereinschef Schäfer von der SG Ihn-Leidingen, der uns im Vereinsheim die Duschen aufschloss – und uns damit sehr glücklich gemacht hat. Das sind so Dinge, die man im komfortablen Homeoffice kaum zu schätzen weiß. Danke, danke, danke. Wenn wir jetzt Merci und Au revoir sagen, würden Herr Schmitt, Tasch und Co wahrscheinlich wieder lachen, wie bei unserem Bon Soir zur Begrüßung. Warum sie das so ulkig fanden, wissen wir bis heute nicht.

PS. Noch eine Korrektur von Malte Göbel zu unserem letzen Tagebucheintrag: Der “welsche Krieger” des Eintrags war in Wahrheit der Heilige Florian, der das Feuer löschte, anstatt es zu entflammen. Die antifranzösische Propaganda war auf einem kaum weniger pittoresken Bild daneben, das die Ruinen eines von den Franzosen gebrandschatzten Dorfes zeigte. Alle Feuerwehrleute unter den Leser_innen sowie Anhänger des Heiligen Florian seien hiermit um Verzeihung gebeten.

Tagebuch: Bergfest in Leidingen

04.09.2009 11:41, Malte Göbel

Leidingen ist mit 220 Einwohnern der kleinste Ort, den wir auf der Wahlfahrt09 besuchen – und markiert auch gleichzeitig unser Bergfest: Die neunte unserer 18 Stationen, 23 Tage sind wir schon unterwegs, noch 23 Tage werden es sein.

Doch auch ohne diese von uns hierher getragenen Eigenschaften ist Leidingen ein besonderer Ort. Er ist geteilt, seit dem Ende der Napoleonischen Kriege 1815 – und so leben heute 192 Anwohner in Deutschland, 28 in Frankreich. Getrennt durch eine Straße, die auf der einen Seite “Neutrale Straße” heißt, auf der anderen “Rue de la Frontière”.

Wir werden auf dem Dorfplatz von Ortsvorsteher Wolfgang Schmitt und dem ehemaligen Feuerwehr-Chef Herrn Tasch empfangen, die uns nicht nur das Gemeindehaus zum Schlafen aufschließen (dankenswerterweise, denn Regen ist vorhergesagt), sondern auch nach Frankreich führen – zehn Meter weiter. Dort stehen wir, gehen in uns und fühlen: gar nicht viel anders.

Hier gab es nie ein Grenzhäuschen, werden wir informiert, nie einen Schlagbaum, nur mal motorisierte Patrouillen auf der Grenzstraße. Und bei der Schleier-Entführung hat der Bundesgrenzschutz alles abgeriegelt. Aber sonst laufen die Leute schon immer problemlos von Deutschland nach Frankreich, schon vor Schengen 1992, auch wenn sie damals eigentlich den Grenzübergang im Nachbardorf hätten benutzen müssen. Das Dorf hat zwei Kirchen, aber es feiert seine gemeinsamen Feste auch schon mal auf dem Grenzstreifen, wo dann das größte Festzelt der Welt aufgebaut wird (das von Frankreich bis Deutschland reicht).

In der Nacht schlafen wir im Gemeindesaal unter einem Gemälde, das wohl aus frankophoben Zeiten stammt: Ein etwas deppert guckender welscher Krieger mit Brokat um die Schultern und im Brustharnisch kippt eine Pulle Feuer (sic!) über einen saarländischen Hof, dessen Bewohner vergeblich zu löschen versuchen. Das Gemälde stellt die Bösartigkeit der Franzosen dar und fungiert so als Mahnmal: Früher gehörte Zwietracht gegenüber den Nachbarn zur deutschen Staatsräson, heute ist die Grenze nicht mehr als – eine Straße.

Tagebuch: Ciao Ciao Schönau

03.09.2009 11:43, Malte Göbel

Foto: Milos Djuric

“Ach, hier ist es SO schön!”, seufzt Lu Yen am Steuer – und drückt trotzdem auf die Tube. Von Schönau nach Leidingen ist doch etwas weiter als wir dachten, und wir wollten eigentlich vor Anbruch der Dämmerung ankommen. Und wie schon diverse Abschiede zuvor sind wir uns einig: Das war zu kurz. Wir sollten wiederkommen, um wirklich Ferien zu machen. Wo die Bäche “Wiese” heißen und die Berge “Notschrei” – Berge mit viel Wald, saftige Wiesen, sanfte Hänge mit malerischen Häusern, flotte Serpentinen, freundliche Leute in der Stadt und auf dem Campingplatz – was will man mehr? Lu Yen: “Ach, ich freu mich schon auf die Rente! Nur noch Naherholungsurlaub. Obwohl, im Schwarzwald wachsen dann sicher schon die Palmen…”

Also nochmal ein großes Dankeschön an die Familie Beierer vom Campingplatz fürs Übernachten und den leckeren Heidelbeerwein – gern empfehlen wir www.camping-schoenau.de. Besonderen Dank auch an Ethem Sahin fürs Rumführen und den Ausflug auf den Kirchturm.

Tagebuch: Ramadan in Schönau

02.09.2009 15:46, Ulrike Steinbach

“Des isch die Moschee”, erklärt Ethem Sahin. Es ist Ramadan und er will vor Sonnenuntergang noch schnell beten gehen. Wir dürfen mitkommen, sogar mit Kamera. Wir wollen ein Portrait über den 30-jährigen Schönauer drehen. Er ist hier geboren, als das fünfte von acht Kindern, seine Eltern kamen als Gastarbeiter aus dem tiefsten Anatolien in den tiefsten Schwarzwald. Ethem ist Student, Unternehmer und SPD-Politiker. Mit ihm tauchen wir für einen Tag ein in die Gemeinschaft der Deutschtürken und kommen in den Genuss ihrer Gastfreundschaft. Abends sind wir zum Iftar, dem Essen nach Sonnenuntergang, in Ethems Elternhaus eingeladen.

Die junge Generation ist hier im Schwarzwald verwurzelt und integriert. Ethem steht auf dem Rathausplatz an unserem Stand. Unser Gespräch wird ständig unterbrochen, weil er den Fahrer jedes vorbeifahrenden Autos grüßt und allen Passanten die Hand schüttelt. Er ist stolz auf sein Schönau, das schwingt in allem mit, was er sagt. Deshalb will er uns unbedingt die Aussicht vom Kirchturm zeigen. Weil hier alles so schön um die Ecke ist, kommt er prompt mit dem Schlüssel für die Kirche wieder. Den Pfarrer kennt er nämlich auch persönlich. Den Schlüssel hat er dann bis abends vergessen zurückzugeben. Und überlegt, was wohl passiert, wenn er sich morgens um fünf Uhr mit Megefon auf den Schönauer Kirchturm stellen und Muezzin-Rufe in die Schwarzwälder Berglandschaft rufen würde.

Bei Ethem und seiner Schwägerin Hatice mischen sich Badener Dialekt mit türkischem Slang. Sie erzählen uns von ihrer Jugend. Nach drei Stunden am Küchentisch haben wir viel gelacht und kennen fast alle Familienanekdoten. Von dreitägigen Autofahrten quer durch den Balkan in die ferne Türkei, bei denen mal zwei Geschwister an der Tankstelle vergessen aber wieder eingesammelt wurden. Thema sind auch die Sprachprobleme der älteren Generation, denen es schwer fällt, deutsche Ortsnamen auszusprechen. Nach einer langen Irrfahrt durch die Orte rund um Mannheim kam zum Glück jemand auf die Idee, dass mit “Schipein” vielleicht die Stadt “Speyer” gemeint sein könnte.

Ansonsten ists beschaulich in Schönau, dem Sitz der Ökopioniere. Wir recherchieren über die EWS – die Energiewerke Schönau – und erfahren auf dem Abendtermin über die Zukunft der Energiewirtschaft in der Region, dass die umweltbewussten Schönauer Windräder ganz toll finden. Nur ein CDU-Vertreter ist dagegen. Nicht gerade überraschend.

So wie die Schönauer sind auch wir ganz umweltbewusst, fahren mit dem Fahrrad zum Stand und wärmen uns die kalten Schwarzwaldnächte mit Heidelbeerwein.

Tagebuch: Was ma von de Schwoben so lernt

30.08.2009 20:24, Moira Lenz

Jetztetle sim ma im Ländle, in Sigmaringen, zwische den Badenser un d Württemberger, genau gsagt bei den Hohenzollern. Des fällt au sofort auf, weil des Städtle nämlich überragt wird vom Schloss. Auf dr oine Seit. Auf dr andreren isch der Barras, die Bundeswehr. On dozwische äben s Städtle an dr Donau.

Erscht mol sin se net so interessiert, d Schwoba in Sigmaringen. Mischtrauisch sen se, ob mer a Partei wäret, was mer wellet und so woiter. Aber mit dr Zeit gat s scho, weil d Ute Korn-Amann von dr Schwäbische Zeitung über uns berichtet und dann kommet se, d Leut.

Am Samstig sogar in Massen, aber net wäge uns, do isch nämlich dr Kruschlmarkt gwä: Oimal em Jahr kommet fascht 10.000 Leut, um den Kruscht von de Sigmaringer z kaufe. Des isch ebbes, wo dem Schwob s Herz aufgeht: En Keller ko ma ufräume un no s Geld verdiene. Damit des dr Nachwuchs au glei lernt, derfet d Kinder umsuscht verkaufe in dr Apothekergass, des isch dann wie s Börsenspiel an dr Schule – fürs Läbe glernt.

Nachts isch au no was los, am Bahnhof im AlfonsX sitztet o paar nette Mädle un oine isch fascht scho a Berühmtheit: d Elli von Elli on Nelli, die sin grad bei Popstars. Wie s weiter got, derft se aber net soge, sonscht müscht se a Strof zahle – un des macht d r Schwob net gern. Schpäter sen ma no uf a Feschtle gonge, a Beachparty wie mo auf neudeutsch sagt. Aber net am Beach, sondern am Baggersee: Baggert isch da au worre, abr wir hän selbschtverständlich rescherschiert.

Ob ma a Zigarette kriege könnet, hän ma on jungen Mo gfragt: Er soi a Schwob, hatr drauf gsagt  – erscht nach vielem Bitten hot r oine härgäba. Au bei dr Bar wars net oifach: Pfand hän se gnomma für an Plaschtikbecherle wies billiger net soi ka. An Konditor-Lehrling hän ma no troffa, der hat viel gwißt übers Eckle: So au, dass dr Fürscht gern amol an Scheich do het zum Wildsau jage. Selber isch dr Jörg bei dr Freiwilligen Feuerwehr gwä: Katzen hän se no net vom Baum gholt, hat er verzählt. Aber d Pferd sen so bled, die müsstet se immer wieder us dr Donau ziega: Mit am Schlauch um Bauch un no and Leitr gbunde.

Glernt häm ma d Schparsamkeit vom Schwob: Umsuscht hän mr bei dr Tante Ute gschlofe und gschmaust – net gschimpft isch grad gnug globt!

Tagebuch: Sigmaringen galore

29.08.2009 19:40, Malte Göbel

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Foto: Milos Djuric

Sigmaringen empfängt uns mit reichhaltigem Frühstück und viel Sonne – Hohenzollernwetter nennt man das hier, lernen wir. Dank tatkräftiger Hilfe der Gastgeber können wir uns mit Tisch und Sonnenschirm in der Fußgängerzone aufbauen, als erfolgreiche Platzhalter, bis am Nachmittag der der Wahlfahrt-Wagen aus Konstanz eintrifft.

Tagsüber Stadt kennenlernen. Als Stringer konnten wir die Journalistin Ute Korn-Amann von der Schwäbischen Zeitung gewinnen, die uns rumführt und Leuten vorstellt. Über Gastgeberkontakte bekommen wir spontan noch einen Termin beim Landrat, vielen Dank an Frau Gaerte an dieser Stelle für die Vermittlung! Paula besichtigt das Schloss, Anwohner schauen beim Stand vorbei, nachmittags noch ein Termin beim stellvertretenden Bürgermeister Herrn Aßfalg.

Sonst ist Sigmaringen ein recht lauschiges Städtchen: Oben ragt majestätisch das Hohenzollern-Schloss, an dessen Fuß drängt sich ein Ort mit Fußgängerzone. Hier sind lauter Hoflieferanten, wie Hofapotheke, Hofbäckerei und Hoftheater. Vom Rathaus guckt grimmig Sigmaringens sagenhafter Gründer Ritter Sigmar in die Gegend. Man könnte meinen, er schaue zum Schloss, doch die Wahrheit sei aber, dass er auf einen Tisch des Café Seelos starre, weil dort der Lieblingsplatz des Bildhauers gewesen sei. Wobei wir angesichts der Kaffee-Qualität den grimmigen Blick nicht nachvollziehen können.

Bei Streifzügen durch die Stadt entdecken wir oberhalb der sehr engen, nach einem, sagen wir: “kräftigen” französischen Feuerwehrmann benannten Treppe “Escalier Jean-Pierre le fort” (ob er stecken blieb oder nicht ist allerdings umstritten), ein blödes Graffiti mit einem stilisierten Grinse-Hitler (den man für Adbusting oder ironisch halten könnte, wenn nicht daneben dumpfe Nazi-Parolen geschmiert wären), kommen an Sigmaringens Tätowierladen mit dem bezeichnenden Namen “Aua-Studio” vorbei, bestaunen die Wiege des Heiligen Fidelis, in der alle Sigmaringer Kinder geschaukelt werden (sollten), weichen Fahrradtouristen aus und spucken in die Donau, unter der uns Geheimgänge versprochen werden, von denen dann aber doch wieder niemand etwas gewusst haben will. Doch dass es sie gibt, ist für uns klar: Allzu märchenschlossartig ragt Schloss Hohenzollern über der Donau empor.

Tagebuch: Endlich wieder Bettdecken

28.08.2009 23:29, Paula Scheidt
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Foto: Milos Djuric

Schwäbische Maultaschen, Brät und ein kühles Bier: Besser hätte der Empfang in Sigmaringen nicht sein können. Netterweise beherbergen uns hier Maltes Verwandte. Beim Abendessen erfuhren wir von ihnen auch gleich die historischen Eckdaten, den wichtigsten Klatsch und die seltsamsten Bräuche. So wissen wir nun, dass jeder Mann, der hierher zieht, „gebräutelt“ wird: Die Sigmaringer tragen ihn mit viel Trara auf einem Baumstamm durch den Ort. Zum Glück gilt das nicht für uns Besucher!

Leider waren Bauwagen und Autos auch gestern noch unbeweglich. Der Kurier, der den Ersatzschlüssel bringen sollte, hatte sich in der Adresse geirrt! Deshalb konnten nur drei von uns abfahren. Zusammen mit Großfamilien, Schulklassen und Berufspendlern quetschten wir uns zwei Stunden lang in die Schwarzwaldbahn. Und trafen fast gleichzeitig mit unserem Neuzugang Malte in Sigmaringen ein.

Unsere abendliche Redaktionskonferenz war dann sehr konstruktiv – nicht nur dank des gut gefüllten Magens, sondern vor allem weil Malte so gründlich und kreativ vorrecherchiert hatte. Schnell stießen wir auf jede Menge interessanter Fragen: Reden wirklich alle Sigmaringer den Erbprinzen mit „Eure Durchlaucht“ an? Finden wir noch Spuren von den Franzosen, die hier während des Zweiten Weltkrieges gelebt haben? Wird bei der Bundeswehr jemand bereit sein, mit uns zu sprechen?

Und dann: Endlich mal wieder in einem echten Bett schlafen!

Tagebuch: Das immobile Journalistenbüro

26.08.2009 21:20, Lu Yen Roloff
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Foto: Milos Djuric

Die gute Nachricht zuerst: Wir haben das Beste aus dem Tag gemacht. Eigentlich sollte es heute morgen nur ein Kaffee sein, die Kaffeemaschine lag aber noch im Auto. Also hin durch den feuchten Morgen, alles gefunden, ach ja, das Vitamin C liegt noch in der anderen Autotür, Tür zu, und dann: Zwei Autoschlüssel liegen auf dem Autositz, vom topdiebstahlgesicherten BMW automobilclubsicher eingeschlossen. Ein Kurier muss aus München einen zweiten Autoschlüssel bringen, wir hängen auf dem Campingplatz Klausenhorn 15 km außerhalb von Konstanz fest – und der Wahlfahrt09-Wagen bleibt heute zwangsweise zu.

Die Wahlfahrt09 ist aber flexibel, so wie freie Journalisten eben sind, und hat sich für den Tag an die Bierbänke zwischen die Zelte gesetzt und arbeitet jetzt um zwanzig nach sechs immer noch. Angesichts des aktuellen Aufhängers wollen wir jedoch gerne einige exemplarische Situationen schildern, die vielleicht auch erklären können, wieso wir bislang noch kein einziges Mal aus der Stadt berichtet haben, in der wir uns aufhalten.

Gestern morgen: Die Wahlfahrt09 hatte sich am Abend zuvor eine disziplinierte Aufstehzeit von halb 8 gesetzt, wurde dann aber nicht durch Übermüdung durch nächtlich schreiende Kindes/betrunkene Teenies/Reissverschlüsse/schnarchende Nachbarn, sondern durch banalen, heftigen Regen an der Konferenz vorm Zelt gehindert. Zog also mit Sack und Pack an einen durchnässten Tisch im Hauptzelt am anderen Ende des Campingplatzes um, wartete brav auf den Platz, den andere erst machen mussten und begann dann zu frühstücken.

In der letzten Woche hat es auch andere wetterbedingte traurige Szenen gegeben: Etwa, wenn am Bauwagen kein Gaffa-Tape fürs Banner halten wollte, weil die Wand nass war – so dass unsere Mitglieder mit Küchentüchern kleine Flecken trocken rieben, damit die Repräsentativität unseres Projektes zumindest im Ansatz gewahrt bleiben konnte. Im feuchten Wind unter einem neu angeschafften Pavillonzelt tippten wir dann, in unsere Wahlfahrt-Jacken gemummelt, unsere Texte. Das war dann auch nicht besser als die über 30 Grad in der prallen Sonne, die in Hof, Halle oder Eisenhüttenstadt den Bauwagen aufheizten und die Hirne lähmte.

Am Wagen sitzt die Wahlfahrt09 auf dem Präsentierteller. Immer wieder kommen also Passanten und fragen, was wir tun oder wo der nächste Kaufhof ist. An anderer Stelle war bereits die Rede davon, dass sie Dokumente und Informationen vorbeibringen. Dann gibt es aber noch die Anderen, die kommen, weil sie unsere Rechner kaufen wollen, unsere Milch trinken, unsere nicht vorhandenen Wahlflyer lesen, einen Kugelschreiber geschenkt haben wollen oder uns mit einer Partei verwechseln. Manche finden auch unsere Armbanduhren schön und wollen sie auch gerne anfassen. Manchmal wird aus der Wahlfahrt09 unversehens auch ein themenfremdes Kummerkastenbüro, wenn auf eine erste Nachfrage hin persönliche Schicksale offenbart werden. Wir haben kein Herz aus Stein, deswegen hören wir stets aufmerksam zu und bemühen uns aufrichtig um die Anerkennung noch so abseitiger Positionen. Ein Ende zu finden ist aus Gründen der Höflichkeit oft schwer.

Herzzerreissende Szenen spielten sich z.B. in Hof ab, als eifrige Wahlfahrtler die verlorene Zeit aufholen wollten und bis in die Nacht bei Kerzenschein auf Zäunen und klammen Decken vor ihren Laptops kauerten, anstatt bei Rotwein Sternschnuppen zu gucken.

Egal ob morgen, mittags oder abends – immer wieder wird die Wahlfahrt von Zeitlöchern geschluckt. Etwa weil die Kamera in einem Wagen, der Kaffeemacher in einem anderen, der Schlüssel zum Wagen in einer Tasche, die Tasche in einem Zelt, die Person zum Zelt aber beim Duschen ist und deren Handyakku aus ist, weil die Kabeltrommel wiederum im Bauwagen ist und der Schlüssel dazu im anderen Wagen, dessen Besitzer wiederum gerade auf Toilette musste, die Toilette aber ein paar Minuten weg im zweiten Stock von Karstadt liegt. Oder so. „Ich suche…“ hat sich folgerichtig bereits zum geflügelten Wort entwickelt.

Und das nicht nur analog, sondern auch digital. Immer wieder suchen die Wahlfahrtler nach schnellen Lösungen für kleine Bugs – ein normaler Prozess auf einer neuen Internetseite, der glücklicherweise von unserem Programmierer Till stets zeitnah begleitet wird – auch am Wochenende und des Nachts. Wenn denn das mobile Internet mitspielt, das uns immer wieder zähe Minuten beschert.

Übrigens: Kaum hat aber jemand rausgefunden, wann was wo ist oder wie geht oder wie das Banner am Wagen richtig hängen bleibt, muss er wieder abreisen und der nächste Neue schlägt mit dickem Rucksack bei uns auf und starrt uns mit undurchdringlicher Miene einen Tag lang an. Erfahrene Wahlfahrt-Mitglieder lächeln dann ermutigend und kreuzen die Finger hinterm Rücken, wenn sie versprechen: Morgen wird das Wetter wieder besser – Wir räumen bald mal wieder auf – Ich redigier Deinen Text gleich, nachdem ich noch…

Ach ja. Die Leberwurst wurde auch seit zwei Tagen nicht gekühlt. Sollte die Wahlfahrt also morgen mit Salmonellen niederliegen, verzeiht uns auch das.

Tagebuch: Jetzt fahrn wir übern Bodensee

25.08.2009 14:24, Ulrike Steinbach
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Foto: Milos Djuric

Zwei Frauen, ein BMW, ein Bauwagen…es werden sich wohl so einige Reisende gefragt haben, auf welcher Mission wir unterwegs sind. Aber wir haben zumindest einigen männlichen Mitmenschen ein gutes Gefühl gegeben, auf unserer Fahrt von Erding nach Konstanz. Wie hätten wir ohne sie den Tankdeckel auf gekriegt, den Bauwagen rückwärts manövriert (das schafft auf einem Miniparkplatz kein Mensch, nein, auch kein Mann!) geschweige denn, ohne Navi den richtigen Campingplatz gefunden.

Auf die Autofähre von Meersburg nach Konstanz ham wirs aber ganz allein geschafft. Allerdings war es inzwischen dunkel. Dafür konnten wir uns der Illusion hingeben, wir würden im Hafen einer griechischen Insel einlaufen. Nur der Geruch nach Süßwasser irritierte etwas, war aber auch schön.

Auf dem komplett ausgebuchten Campingplatz gabs noch ein freies Eckchen für uns, die Zelte kuscheln jetzt miteinander. Man macht wieder Urlaub in Deutschland, erzählte uns der sehr hilfsbereite Platzwart (Beleuchtung, Bollerwagen und Bierbänke), die Leute haben kein Geld mehr für Fernreisen.

Scheinbar aber fürs Shoppen. Die Konstanzer Innenstadt jedenfalls ist voll. Nur hier auf unserm Platz ist noch nicht viel los. Eine rheinländische Rentnerin hat sich zu uns gesetzt. Sie lebt seit 30 Jahren in Konstanz, hat sich aber immer noch nicht eingelebt. Die Konstanzer hält sie für stolz, verklemmt und unfreundlich. Wir sind gespannt…

Gleich werden wir uns bei der Konstanzer Lokalpresse vorstellen. Ansonsten laufen die Recherchen an. Oberthema: Bildung.

Tagebuch: Danke, Herr Huber!

24.08.2009 18:00, Lu Yen Roloff
abschied_erdingFoto: Milos Djuric

Vielen Dank an Herrn Huber vom Freizeitzentrum Hasselbach, der seine “Kollegen” von der Wahlfahrt09 freundlicherweise untergebracht hat. Herr Huber hat nämlich zufällig bei der SZ volontiert und symphatisiert nach wie vor mit Journalisten. Beste Grüße!

Tagebuch: Weiß-blau ist der Himmel über Erding

24.08.2009 15:14, Moira Lenz
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Foto: Milos Djuric

Mei, Erding is halt a Pracht, des löst sich nicht leugnen. Bei schönstem Sonnenschein san die Wahlfahrer heut gsessen am Kleinen Platz und ham Hof ghalten in dem Ort, der „so schön historisch aussieht“, des zumindest findt die 17-jährige Sonja, a Mädl, des bei der Party von ednetz im „Penthouse“ war.

Ist er auch, historisch mein i, seit 1228 hat er nämlich bereits das Stadtrecht, so. Nachdem sich’s gestern nicht also nur nicht ham bitten lassen, sondern beim Sauwetter, dem blödn, glei gonz weg blieabn sin, sans heut fast zutraulich, ja, zudringlich gworn, die Erdinger. Sozusagen die sprichwörtliche Klinke in die Hand hams sich gebn. Und glästert hams, mei, am liebsten über die Politiker: Von wegen oh du schönes CSU-Land der Bayern – heuer stehn die auch nicht mehr so guat do, die „Christlichen“. Veroarscht fühln sich die Bürger „Was die in dieser Woche versprechen, des hams den nächsten Tag schon vergessen“ – Rauchverbot, Startbahn, Milchpreise, die Liste ließ sich lang noch weiter führn.

Manch einer will drum gar nicht mehr wählen, aber nicht still und leise, nein! Des wird öffentlich gmacht, des solln die nur alle wissen. Der Martin, a Bauer, meint, dass die Bayern, traditionell befangen san und eigentlich immer a Führung braucht ham. Der Strauß hat des begriffen ghabt, und selbst der Stoiber hats no gwußt, aber jetzt? Die kleinen Parteien, vielleicht sogar die Pauli, des wär vielleicht no a Lösung – aber eben auch nur, bis s an der Macht gschnuppert ham, dann is vorbei.

Früher, des meint der Jauernig Erich, da wars ganz leicht gwen mit dem Wählen: Wenn die Partein alle beide Recht ghabt ham (mehr als die CSU und a ganz kleine SPD hats da nicht gebn), dann hat ma die gwählt, die mehr Maß zahlt hat beim Frühschoppen – wer des gwen ist, des muss ma jetzt nicht no sagn, oder?

Das des so oanfach amohl war, muss sich die Wahlfahrt jetzt erst amohl im Munde zergehen lassen – mit am prächtigen Weißbräu, in Erding.

Tagebuch: Au Revoir, Campingplatz am Auensee

21.08.2009 14:26, Lu Yen Roloff
Campingplatz

Foto: Lu Yen Roloff

Vielen Dank, Stadt Köditz, für die Übernachtungen auf dem Joditzer Campingplatz am Auensee. Trotz nächtlichen Bodennebels haben wir das idyllische Ambiente am See sehr genossen.

Tagebuch: Ein Hoch auf die Hilfsbereitschaft

20.08.2009 21:40, Kathleen Fietz
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Foto: Lu Yen Roloff

Hier in Hof besuchten uns Bonner Radfahrer am Wahlfahrtsstand und beklagten, dass der Gemeinsinn und die Solidarität in Deutschland so verloren gegangen wären.

Gott sei Dank kann dies die Wahlfahrt09-Crew bisher nicht bestätigen und nimmt die Begegnung zum Anlass, sich zu bedanken. So viele Menschen, die uns helfen und manchmal auch retten, haben wir in unseren Tagebucheinträgen vergessen und wollen ihnen heute noch mal nachträglich ein kleines Danke-Denkmal setzen.

So zum Beispiel die Bibliothekarinnen in Eisenhüttenstadt, die Kathleen in ihrem Leseraum freundlichst aufgenommen haben und sie dort auch am nächsten Tag – trotz Ruhetag – hineinließen, damit sie in Ruhe arbeiten konnte.

In Görlitz reichte es, mit einem Stadtplan in der Hand auf dem Marktplatz zu stehen: Ein gebürtiger bayerischer Rentner fuhr mit seinem Wagen vor uns her, damit wir mit dem Bauwagen den Weg hinaus aus der einbahnstrassenreichen Innenstadt fanden.

Unser Dank gilt dem Bademeister des Nordbads in Halle: Er veranlasste,  dass das Bad abends länger aufbleibt, damit wir nach Feierabend noch unsere heißen Köpfe abkühlen konnten. Morgens ließ er uns vor den Öffnungszeiten allein ins Becken.

Vorgestern Abend verlor das Navi-lose Auto mit Bauwagen in der nächtlichen fränkischen Provinz die Orientierung, ein Hofer Pärchen fuhr mit dem Auto voraus und leitete uns zum 10 Kilometer entfernten Campingplatz.

Hinzu kommen unsere Toiletten- und Stromversorger: Die Märkische Oderzeitung in Eisenhüttenstadt, die Bäckerei am Görlitzer Marktplatz, das Italienische Restaurant am Hallensischen Marktplatz und hier in Hof die Büros der Hypovereinsbank. Unser Kabel darf solange durch’s Fenster hängen, bis der Bankdirektor nach Hause geht – gestern um halb sieben!!

Dann war da noch der Zeltnachbar in Halle, der uns seine Bierbänke lieh, einen Bourbon ausgab und uns mit Tomaten aus dem Garten seiner Mutter versorgte. Und natürlich nicht zu vergessen, der nette Besitzer vom Campingplatz am Nordbad in Halle, der uns umsonst bei sich übernachten ließ.

Das Stromkabel des Bauwagens ist auch wieder heil und der Hofer Automechaniker winkte nur ab, als Lu Yen die Geldbörse zückte…

Für all das bedankt sich die Wahlfahrt09 herzlich!

Tagebuch: Heiße Zeit in Hof

19.08.2009 13:18, Thomas Trappe
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Foto: Lu Yen Roloff

Tag 11: Hof hat ein Terrorismusproblem, das wird hier ziemlich schnell klar. Ein vollautomatisierter Stalking-Papagei brüllt vor einem Textilgeschäft Passanten an und droht kleinen Kindern mit Geschenken. Oder sagt „Guten Tag“.

Sonst stellen sich die ersten beiden Tage in Hof einigermaßen entspannt dar. Die Würste sind lecker, der Campingplatz gut gefüllt. Außerdem haben wir mit unserem Freiluftbüro einen Platz an der Sonne, die allerdings heute gefühlt direkt aus München auf uns brennt. Heißester Tag des Jahres ist dann doch keine Nachricht, die man so richtig euphorisch begrüßt, wenn man unter freiem Himmel arbeitet und nach spätestens zwei Stunden zu einem schmierigen Journalisten wird. Rein physisch betrachtet jedenfalls.

Ziemlich schnell haben wir nach dem Aufstellen des Bauwagens am mysteriösen Hofer „Kugelbrunnen“ bemerkt, dass demnächst anscheinend ein Glasdach über der Innenstadt errichtet werden soll, zumindest über großen Teilen von ihr. Das Thema bewegt Hof grade sehr, immerhin viele Millionen Euro soll die Image-Maßnahme kosten. In Blogs wird nun darüber diskutiert, ob im Winter der Schnee auf dem Dach Hof in ganztägige Dunkelheit taucht und im Sommer die Fußgängerzone Sahelzonen-mäßig unbewohnbar macht. Was zum Beispiel den Hofer Musikanten stören könnte, der heut früh neben unserem Wagen davon sang, wieviel Bier er in seinem Leben noch zu trinken gedenke – nämlich viel. Unsere Redaktion schließt sich im Moment und bar jeder tieferen Ahnung der Meinung an, dass ein Verzicht auf das Glasdach über uns grade tolerierbar ist, aus genannten Gründen.

Erwähnung soll hier noch der oberfränkische Dialekt finden, in dem gerollt wird, bis einem ganz rund wird. Um es mal so auszudrücken: Das Missverständnis des Tages ist in dem Zusammenhang dann auch am örtlichen Parkplatz anzusiedeln, wo ein Teilnehmer unserer Runde verstand, er solle „den Hitler vor das Autos stellen“, damit der Parkplatz nicht besetzt wird. Sicher eine abschreckende Maßnahme, trotzdem übertrieben und logischerweise ein Missverständnis. Vielmehr ging es um ein etwas exzessiv gerolltes „Hüterl“, dass Schutz vor Parkplatzdieben gewähren sollte. Man lernt nie aus.

Tagebuch: Die letzte Stunde in Halle

18.08.2009 16:44, Kathleen Fietz
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Foto: Sylie Gagelmann

Wer in unserem Team aus Ost- und wer aus Westdeutschland  kommt, ist einfach feststellbar: Wer die Hallenser Hallorenkugel nicht kennt, outet sich als Wessi. Kein Kind des Ostens ist an den kleinen gefüllten Pralinen vorbei gekommen.

Gestern aufregende Stunden, als Polizei auf dem Marktplatz anrückt. Immer mehr Menschen versammeln sich auf den Stufen vor dem Rathaus, an der S-Bahnstation und an den Seiten. Wir erfahren, dass Neonazis einen “Hessmob” zu Ehren von Hitlers Stellvertreter Rudolf Heß geplant haben. Doch viele junge Hallenser sind mit Wasserbomben, Flugblättern und Konfetti angerückt, um sie zu vertreiben. Um acht Uhr abends taucht die Abendsonne den Platz in warmes Licht und es wird klar: Die Neonazis haben sich nicht getraut. Gleiches ist übrigens in Görlitz passiert, erfahren wir von unserem Bekannten Stefan Steingräber. Die Wahlfahrt09 gratuliert beiden Städten!

Jetzt sitzt die Redaktion unter dem Sonnenschirm und kommt trotz Gästen zum Texteschreiben. Denn die Hallenser, die mit am Tisch sitzen, unterhalten sich miteinander. Ein älterer CDU-Wähler diskutiert mit einem Studenten. „Ich hab gestern nur auf Corax (ansässiger freier Radiosender, Anm. d. Red.) gehört, dass die CDU immer noch kein Wahlprogramm hat und dadurch auch nicht angreifbar ist“, sagt der Student, der noch nicht weiß, ob er die Grünen oder die Piratenpartei wählen soll. „Die Grünen waren die Ersten, die etwas für Umwelt viel getan haben, das fand ich gut. Diese Kelly damals wollte keine große Partei haben, keine Banken gründen. Und heute sind sie genau so machtgeil wie die anderen“, sagte der ältere Hallenser.

Unsere Abfahrt naht und so arbeitet die Wahlfahrt auf Hochtouren: Lena schneidet ihr Interview mit der SPD-Bürgermeisterin der Stadt, Ulrike bloggt, Lu Yen gibt ihrem Text über die NPD in Görlitz den letzten Schliff. Fotograf und Fotografin entdecken mit ihren Kameras noch unbekannte Ecken der Stadt und unser VJ Christian hat sich für den Filmschnitt in den schattigen Bauwagen verzogen. Gleich wird gepackt und dann geht’s auf ins bayerische Hof, wo die Ost-West-Diskussionen wohl nun langsam versiegen werden. Auch mal wieder ganz gut.

Tagebuch: Hallo Halle

16.08.2009 12:45, Lena Gürtler
Ankunft in Halle

Foto: Sylie Gagelmann

12:30 Die Wahlfahrt ist angekommen. Sonntagsstimmung auf dem Marktplatz – Glockenläuten von drei Seiten, ein paar Leute in Cafés unter Sonnenschirmen. Bevorzugtes Getränk heute: Eiskaffee!

Die ersten Tipps über Halle haben wir auch schon bekommen, von einem Bayern. Der lehrt an der Martin-Luther-Universität Japanologie. Mal sehen, ob wir in den nächsten Tagen noch ein paar mehr Halle-Japan-Connections auftun…

Recherchen über Hauswächter und hallensische Werber laufen an. Und noch ein Thema drängt sich am Marktplatz auf: Wie können vier italienische Eis- und Pizzaläden am Markplatz überleben?

14:40 Heißes Halle. Drei von uns schmelzen auf dem Marktplatz. Die anderen sind auf Recherche und hoffentlich im Schatten. Das Freibad am Zeltplatz hat hoffentlich noch auf, wenn wir zurückkommen.

So verschwitzt wie wir sind, dürfen wir auch noch ins Fernsehen. Halle-TV dreht uns und widmet uns eine Nif (Nachricht im Film) morgen um 18.00 Uhr.

und hier geht`s zu Halle-TV

17:40 Halleluja Halle. Tagesabschlusskonferenz und jede Menge Eindrücke und Pläne. Halle ist voller Kirchen, hat Kathleen festgestellt und ist glücklich über die Cabrio-Fahrt mit ihrem Interviewpartner. Außerdem sind wir zum Grillen bei Postkult eingeladen. Die eröffnen einen Gemeinschaftsgarten in Halle-Glaucha – einem Stadtteil, der mehr und mehr verfällt. Sehnsucht nach dem Schwimmbad.

22:30 Himmlisches Halle. Der große Wagen über uns. Heute weniger Sternschnuppen als gestern. Entspannungsübungen auf dem Campingplatz. Seit einer Stunde stehen alle Zelte. Wein und Sekt sind auch vorhanden. Die Recherche-Gemüter haben sich dank Schwimmen abgekühlt. Vorher gute Stimmung bei der Eröffnung des Nachbarschaftsgartens in Halle-Glaucha. Mehr davon wird morgen digitalisiert (Film, Foto, Print). Ansonsten auf dem morgigen  Tagesprogramm: Halloren-Café, Schriftsteller, Wächterhäuser und viele Texte, die fertig werden müssen. Nebenan rauscht die Saale. Bonne Nuit.

Tagebuch: Danke, Campingplatz an der alten F99

15.08.2009 11:35, Ulrike Linzer
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Foto: Ulrike Linzer

Und besten Dank an Herrn Franke, dass wir bei Ihnen kostenlos logieren durften.

Tagebuch: Wohlfahrt

15.08.2009 11:34, Kathleen Fietz
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Foto: Michael Bennett

„Da muss O statt A stehen. Das sollte Wohlfahrt statt Wahlfahrt heißen!“, ruft ein Passant, als er an unserem Wagen vorbeigeht. So Unrecht hat der Görlitzer nicht. Auch heute wieder kommen die Leute mit alten Fotos, Büchern oder einer Auflistung ihrer Lebenshaltungskosten als Beweis, dass sie von ihrer Rente nicht leben können. Auf der einen Seite unseres Schreib-Biertisches steht ein polnischer Journalist, der gegen die NPD-Plakate „Polen-Invasion stoppen“ anschreibt, an der anderen Seite schimpft ein Rentner, dass ständig jugendliche Polen in Görlitz Leute überfallen würden. Um die Ecke macht Hertie Räumungsverkauf, ab nächste Woche bleibt das Kaufhaus geschlossen – auch ein Thema, das die GörlitzerInnen bewegt.

Tagebuch: Noch mehr Verrückte…

14.08.2009 15:34, Lu Yen Roloff

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Trampen nach Auschwitz – das ist wirklich ernst gemeint! Die beiden netten Kollegen Philipp Mausshardt von der Agentur Zeitenspiegel und Fotografin Katharina Alt kamen mit Rucksäcken am Wahlfahrt09-Wagen in Görlitz vorbei, weil sie vor dem Weitertrampen noch kurz einen Kaffee einfangen wollten. Dahinter steckt natürlich eine Reportage – für den Playboy! Auf das Ergebnis sind wir gespannt! Hier gehts zum Zeitenspiegel-Blog

Tagebuch: Welcome to Görlitz

14.08.2009 10:14, Ulrike Linzer
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Foto: Michael Bennett

Auch in Görlitz wurden wir von Kollegen von der Lokalpresse angekündigt, so dass gleich am ersten Vormittag eifrige Neu-Görlitzer mit Jutetaschen voller Info-Material zu uns auf den Postplatz gekommen sind und ihre Geschichten erzählen. Viele handeln von Flucht und Vertreibung, fetten Jahren im Wirtschaftswunderland der BRD und der Rückkehr als Rentner „back zu den roots“, wie es Herr Otto sagt.

Herr Otto wurde vor 68 Jahren in einem Ort 30 Kilometer östlich von Görlitz geboren, im heutigen Luban, und erfüllt sich heute einen Traum, unter anderem in dem er Kutschfahrten durch die niederschlesische Landschaft unternimmt. Er hat Polnisch-Kurse an der Volkshochschule belegt und engagiert sich in deutsch-polnischen Vereinen, denn die Verständigung zwischen den beiden Ländern ist ihm wichtig.

Herr Otto ist keine Ausnahme hier, es gibt mehr Zuzüge als Fortzüge in der Altersgruppe der über 60-Jährigen. Während die Jugend dorthin geht, wo es mehr Arbeit gibt, kommen Kulturinteressierte Rentner aus ganz Deutschland in die pittoreske Stadt, um hier zu günstigen Mieten in schönen Altbauten zu leben. Ein Projekt der Technischen Universität hat in einer Studie zur Lebensqualität Menschen in Gründerzeitgebäuden eine Woche „Probe-Wohnen“ lassen. Aus der Umgebung von Görlitz, auch aus Polen und aus ganz Deutschland kamen Bewerbungen, einige der Tester sollen tatsächlich nach Görlitz umgesiedelt sein, darunter auch zwei Familien.

Darüber wollen wir morgen mehr herausfinden, auch wie es ist, als Jugendlicher hier zu leben, wie der Zuzug der Rentner hier aufgenommen wird. Ob die eher an Aquarellmalen interessiert sind oder sich auch politisch einmischen und engagieren. Herr Otto zum Beispiel demonstriert gegen die NPD. Aber jetzt wird es kalt auf dem Postplatz und die anderen sind schon auf dem Campingplatz und kochen. Hoffentlich regnet es nicht so viel in der letzten Nacht, sonst hat die Wahlfahrt-Crew keine trockenen Klamotten mehr.

Tagebuch: Danke an die Klofskis!

12.08.2009 15:35, Lu Yen Roloff
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Foto: Michael Bennett

Für die freundliche kostenlose Unterbringung besten Dank an die Klofskis vom Campingplatz am Schervenzsee im Eisenhüttenstädter Umland! Der See war toll, es gab hervorragende sanitäre Anlagen und ein ruhiges Ambiente unter Kiefern. Wir empfehlen:

http://www.schervenzsee.de/Camping.7.0.html

Tagebuch: Tag 3 in Eisenhüttenstadt

12.08.2009 15:35, Lu Yen Roloff
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Foto: Michael Bennett

Kurz vor der Abfahrt nach Görlitz eine kurze Bilanz unserer ersten zwei Tage: Die Zeit ist sehr knapp, um ein Gefühl für die politische Landschaft der Stadt zu entwickeln. Zwar beginnen sich bestimmte Informationen über die Stadt zu wiederholen. Es sind vor allem die alten „Hüttenstädter“, die unser Bild geprägt haben, uns die miteinander verschlungene Geschichte des Eisenhüttenkombinats Ost und der um es herum errichteten Stadt aus unterschiedlichen Perspektiven schildern.

Man erahnt, dass sich der mit der Wende untergegangene Mustersozialismus und die damals bestehenden politischen Strukturen auch heute noch durch die Stadt ziehen. Schon zwischen unseren wenigen Bekanntschaften werden Gräben sichtbar: Persönliche Erinnerungen an Werk, Partei und Stasi prägen die Verhältnisse bis heute. Man müßte jetzt eine Woche bleiben und sich wirklich tief in die Geschichten einarbeiten.

Für die West- und Ostdeutschen in unserem Team ist die Wahrnehmung ebenfalls sehr anders. Während die in Ostdeutschland aufgewachsenen Wahlfahrtler vieles für selbstverständlich ansehen, geraten wir Westler immer wieder ins Staunen über die Aussagen der Hüttenstädter, die das jetzige Gesellschaftssystem auf eine viel fundamentalere Weise nicht anerkennen als das selbst kritische Geister im Westen tun.

Zu kurz gekommen ist bisher der Wahl-Aspekt. Das liegt aber auch an der politischen Stimmung vor Ort. Mehr dazu in unseren Texten, die bald zu lesen sind.

Tagebuch: Tag 2 Eisenhüttenstadt

11.08.2009 21:05, JC Kage

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Foto: Michael Bennett

In der Märkischen Oderzeitung steht heute ein Artikel über die Wahlfahrt09

Den scheinen viele Eisenhüttenstädter gelesen zu haben, denn es häufen sich vormittags die Besuche von Bürgern bei uns am Bauwagen. Bewaffnet mit Fotos erzählen hauptsächlich Zeitzeugen vom eigenhändigen (!) Aufbau der ersten deutschen Stadtneugründung.

Ein jüngerer Familienvater berichtet davon, dass kaum mehr junge Leute in der Stadt bleiben, denn Beschäftigung gibt es wenig. Er muss trotz Jobs als Hausmeister beim Amt aufstocken, damit das Geld für seine fünfköpfige Familie reicht. Wenn jemand in Deutschland auf die Krise vorbereitet ist, dann sind es ganz sicher die Hüttenstädter.

Ein VJ-Team hat sich aufgemacht, um im Stahlwerk mit einem Arbeiter der ersten Stunde zu sprechen, dessen Sohn auch bei EKO-Stahl beschäftigt ist, dem Hauptarbeitgeber. Das wird dann wohl ein kleines Filmportrait.

Auch die Frisörsalons Eisenhüttenstadts haben Besuch von uns bekommen. Bekanntlich sind diese ja Informationszentralen par exellence. Zwischen Lockenwicklern und Strähnchenpinseln kam einiges an Geschichten und haarscharfen Fotos zusammen.

Ansonsten scheint die Sonne und die Wahlfahrt beginnt durchzustarten. Anfängliche technische Schwierigkeiten haben sich als lösbar erwiesen, das ist doch was!

Abends mit Herrn Julich gesprochen, der eine spannende Vergangenheit hat. Der über 80-Jährige geht in Schulklassen, um die Schüler über die Nazi-Zeit aufzuklären. Unter anderem hat er seine Stasiakte mitgebracht. Bei zwei Bier erzählt der DDR-Querulant von seinem Parteistrafverfahren und seinen heutigen politischen Ansichten.

Ach ja, wählen können die Eisenhüttenstädter auch: Parallel zur Bundestags- und Landtagswahl soll auch ein neuer Bürgermeister gewählt werden. Neuer alter Bürgermeister – die einzige Gegenkandidatin kann gegen den seit 16 Jahren Regierenden kaum gewinnen. Sagen jedenfalls die Hüttenstädter.

Eine Reise in dieses DDR-Architekturfreilichtmuseum lohnt sich ganz sicher!

Tagebuch: Rückblick Tag 1

11.08.2009 13:45, Lu Yen Roloff
Bauwagen

Foto: Michael Bennett

Die liebe Logistik. Zum ersten Mal direkt vom Campingplatz in die Stadt, den Bauwagen aufbauen, das Banner aufhängen, Bilder für den Trailer drehen, ein bißchen die unmittelbare Umgebung hier im Zentrum von Eisenhüttenstadt erkunden – oder “Hütte”, wie die Einheimischen sagen. Leichte Verwirrung, wo und wie mit Recherchieren angefangen werden soll und welche Passanten man anspricht – dazu noch einiges an Organisation und Probleme mit unserem Schnittprogramm Final Cut.

Am frühen Nachmittag erste Passanten, die freiwillig stehen bleiben und Zeit haben, mit uns zu sprechen: Gerhard, ein 85-jähriger Rentner; Ben, der über Eisenhüttenstadt bloggt und eine stadtsoziologische Führung für Kathleen und Michael macht; Gespräche mit der Besitzerin vom lokalen Restaurant Hähncheneck; dazwischen kurze Ausflüge in den benachbarten Dessousladen und die Hinterhöfe der Wohnblocks, Verabredungen für den nächsten Tag treffen und Pressetermin mit der MOZ.

Später beginnt in unmittelbarer Nähe vor dem Theater eine Montagsdemo mit einer Handvoll Aktivisten. Stellt sich heraus, dass sie heute fünfjähriges Jubiläum hatten. Kathleen und Michael machen eine kleine Slideshow und bringen von den Organisatoren eine selbstbesungene CD mit Protestsongs mit.

Gegen 20 Uhr zieht ein Gewitter auf, wir packen zusammen und fahren geplättet zum Campingplatz am See zurück. Abends beim Essen dann neue Ideen für neue Formate, Schwerpunkte und spätere Geschichten. Zufrieden.

Tagebuch: Ankunft in Eisenhüttenstadt

10.08.2009 11:00, Kathleen Fietz

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Unsere erste Station Eisenhüttenstadt ist erreicht. Netter Campingplatz mit noch netterem See, der für’s Wachwerden heute morgen ein Segen war. Der erste von uns hat schon nach der ersten Nacht die für’s Campen typische Reißverschlussphobie.

Nun stehen wir mit unserem Gefährt in der zentralen Lindenallee der ersten sozialistischen Planstadt der DDR. Nur 130 Kilomenter von Berlin entfernt, aber fast schon wie in Wladiwostock, zumindest haben sich einige von uns die russische Stadt so immer vorgestellt. Sozialistische Bauten, Schriftzüge aus den 60er Jahren, Läden mit Polyesterschürzen, Stahlskulpturen auf den Grünflächen in der Lindenallee.

Hier werden wir für die nächsten zweieinhalb Tage stehen, direkt vor einem Backshop-Pavillion in Gold, in dem Lu Yen schon eine Eisenhüttenstädterin kennen gelernt hat, die den Spatenstich für das Eisenhüttenkombinat Ost in den 1950ern gemacht hat. Direkt daneben die Lokalredaktion der Märkischen Oderzeitung, deren Redaktionstoilette uns nun offen steht und dessen Redakteur heute über uns berichten und uns bei unserer Protagonistensuche helfen will. Auf zur ersten Redaktionskonferenz…

Mit Dank an unsere Sponsoren:

 
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