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“Wir baden aus, was in Berlin vergeigt wird”

15.08.2009 17:35, Lu Yen Roloff
CDU

Foto: Michael Bennett

GÖRLITZ. Thomas Leder ist Görlitzer und seit 1990 CDU-Stadtrat und Vorsitzender des Fördervereins Stadthalle Görlitz e.V.

Welches politische Profil haben Sie?

Ich beschäftige mich mit Bauplanung und dann bin ich im Förderverein Stadthalle Görlitz e.V. Die Stadthalle ist ein Thema, dass die Görlitzer bewegt. Sie spielt in jedem Wahlkampf eine große Rolle. Seit 2004 ist die einzige große Halle zwischen Dresden und Breslau geschlossen. Das Jugendstilgebäude hat eine weltweit einmalige Orgel. Aber die Probleme werden immer größer, sie wieder zu eröffnen. Stadthallen benötigen immer einen Zuschuss. Der liegt bei 200.000 – 400.000 Euro, das ist schwer für eine Stadt wie Görlitz, die einen Nothaushalt hat. Wir haben Museen, ein schönes Theater, ein philharmonisches Orchester und haben Jugendarbeit und den Sport zu unterstützen. Das sind die so genannten „freiwilligen“ Aufgaben – Jugendarbeit, Sozialarbeit, Sport und Kultur.

Wir im Förderverein können informieren, fragen, ansprechen, mahnen. Aber wir können noch nicht einmal andeutungsweise die 25 Millionen Investition aufbringen, die für den Erhalt der Halle nötig sind. Wir können nur die Politik darauf hinweisen, jetzt oder nie. Die Sache anzugehen wird in keinem Jahr besser, Investition und Zuschuss werden nie besser werden, die Kosten steigen eher von Jahr zu Jahr. Deswegen ist jegliches Warten eigentlich unlogisch.

Wie ist es Görlitz seit der Wende ergangen?

Görlitz war eine Stadt, die zwar im Krieg kaum zerstört wurde, aber eine ruinöse Bausubstanz hatte. Hier war fast jede Fassade grau und die Altstadt war nur noch zu einem ganz geringen Prozentsatz bewohnt. Jetzt ist es die schönste Stadt Deutschlands, wie Prof. Kiesow, der Vorsitzende der deutschen Stiftung für Denkmalschutz, sagt. Wer die blühenden Landschaften in Görlitz nicht sieht, der lebt in einer Parallelwelt. Wir sind wirklich aus Ruinen auferstanden, hier haben die Zuschüsse aus dem Solidarpakt wirklich gegriffen. Jetzt kommt die Kehrseite: Dadurch, dass eine Innenstadt da war mit leerstehenden Wohnungen und der Sozialismus dazu Satellitenstädte baute, haben wir jetzt hohe Leerstände, das ist ein Problem.

Ein weiteres großes Problem war bis vor wenigen Jahren die Lage an der polnischen Grenze, die sich langsam bessert. Wer hier selbstständig ist, bekommt zum halben Radius keinen Auftrag. Man kann sich meist nur zu einer Seite der Neiße orientieren. Denn noch geht das wirtschaftliche Zusammenwachsen mit Polen sehr langsam. Es gibt auch Schwierigkeiten mit der Grenzkriminalität. Da müßte auch der Staat auch eine Zeitlang noch Polizisten zuführen, statt wie jetzt BGS-Truppen abzuziehen. Gerade Kleinkriminelle lassen sich von mehr Polizei abschrecken. Das größte Problem ist die Arbeitslosigkeit, bei der die Kommune einen guten Rahmen bieten muss.

Nach welchen Kriterien entscheiden die Wähler ihrer Meinung nach?

Mit Sachthemen ist es ganz schwer, Politik zu machen, die Leute wählen oft nach dem Bauch. Das Problem ist, dass das Wissen um die Probleme eine gewisse Detailkenntnis verlangt, die oft nicht da ist. Wenn der Wähler sich nicht hinsetzt und in der Tagespresse verfolgt, welche Lobby kämpft warum gegen wen, kann er gar nicht verstehen, worüber er abstimmt. Er kann die Parteiprogramme nicht verstehen, machen sie mal ne Umfrage, wer ein Wahlprogramm gelesen hat.

Wie sind ihre Eindrücke als Politiker, was entscheidet in Görlitz die Wahlen?

Die Kommunalpolitik ist immer hautnah dran an den Leuten und wir baden aus, was in den Berlin vergeigt wird. Die Leute schauen viel nach Berlin, Kommunales und Bundesweites wird immer vermischt. Ein großes Thema ist die Gesundheitsreform, das merken die Leute tagtäglich, dass sie zuzahlen, dass die Medikamente kleinere Packungsgrößen haben, die Wartezeiten beim Arzt sich der DDR-Zeit annähern. Neulich wollte ich einen HNO-Termin, da hätte ich sechs Wochen warten müssen. Gesundheit ist ein ganz heißes Thema und ärgert die Leute jeden Tag.

Für die Kommunalpolitik ist schwierig, weil wir mit immer weniger Geld auskommen müssen. Die Einrichtung von Kitas bedeuten Millionen an Mehrkosten, woher nehmen? Wir sollen Jugend- und Sozialarbeit machen und haben kein Geld, können uns Kulturarbeit nicht mehr leisten. Und wie soll man aus diesem Topf für sogenannte „freiwillige“ Aufgaben noch die Stadthalle finanzieren? Dabei ist Kultur auch ein weicher Standortfaktor, gerade für den Mittelstand. Und der bringt die meisten Jobs.

Interview: Lu Yen Roloff

 

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