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Jamaika in Wiesbaden:
Ein schwieriger Fall für die Grünen

07.09.2009 8:38, Ute Zauft

WIESBADEN. Im Saarland wird darüber nachgedacht, in der hessischen Landeshauptstadt ist es schon soweit: Seit 2006 regiert dort eine Koalition aus CDU, FDP und Grünen. Das Bündnis ist deutschlandweit eines von sechs Jamaika-Koalitionen auf kommunaler Ebene. Bettina Schreiber ist Fraktionsvorsitzende der Grünen im Wiesbadener Stadtparlament. Im politischen Alltag streitet sie dabei weniger mit ihren Koalitionspartnern, als mit den eigenen Mitgliedern.

Frau Schreiber, Sie koalieren mit FDP und CDU, dem Feindbild vieler Grüner. Wie konnten Sie das durchsetzen?

Der Koalitionsvertrag trägt eine starke grüne Handschrift, vor allem in der Umwelt- und in der Verkehrspolitik. Wir haben zum Beispiel die Baumschutzverordnung wieder eingeführt und neue Fahrradwege sowie den Ausbau des Personennahverkehrs beschlossen.

Wie beurteilen Sie denn die Zusammenarbeit mit FDP und CDU bisher?

Eine Koalition mit drei Partnern ist anstrengend, für uns besonders mit FDP und CDU, aber bislang läuft es fair und offen.

Gerade aber mit der grünen Basis gibt es immer wieder Konflikte. Entgegen dem Willen der Basis hat Ihre Fraktion dafür gestimmt, mit städtischem Geld das Gebäude einer privaten Hochschule zu sanieren. Werden die Grünen zwischen CDU und FDP zerrieben?

Wir haben zum Wohle der Stadt entschieden. Wir geben die zehn Millionen Euro aus, um das Quartier aufzuwerten. Auf Hochschulpolitik haben wir als Kommunalpolitiker keinen Einfluss, aber auf die Lebensbedingungen in der Innenstadt. Genau so habe ich das auch auf der Mitgliederversammlung erklärt. Wir sind nicht nur den Grünen, sondern auch den Bürgerinnen und Bürgern verpflichtet

Auch beim geplanten Kohlekraftwerk konnten Sie sich nicht gegen CDU und FDP durchsetzen – und das berührt Grüne Grundpositionen.

Wir Grüne haben von Anfang an gegen das Kraftwerk Position bezogen. Aber das Thema war noch nicht so präsent, als wir die Koalition schlossen. Als es dann akut wurde, sind aber sowohl Partei und als auch Fraktion aktiv geworden. Wir haben mehrfach den Koalitionsbruch riskiert. Denn trotz Veto von CDU und FDP haben wir einen Beschluss der Parteimitglieder ins Stadtparlament eingebracht, der den Vorstand der Kraftwerksbetreiber aufgefordert hat, alle Planungen und den Bau des Kraftwerks zu stoppen. Die Mehrheit für diesen Antrag haben wir mit den Parteien außerhalb der Koalition gewonnen. Schließlich hat dann aber der Oberbürgermeister gegen diesen Antrag vor Gericht Beschwerde eingelegt: das Stadtparlament könne nicht in die Geschäfte der städtischen Gesellschaften eingreifen.

Geschickt: Koalition gerettet. Aber der Bau ist nicht verhindert. Diente dieser Antrag also nur der Beschwichtigung der Basis?

Nein, das ist unsere Überzeugung als Grüne. Die Vereinbarung im Koalitionsvertrag, dass der Bau des Kraftwerks „kritisch“ gesehen wird, ist natürlich interpretationsbedürftig, aber genau deswegen kämpfen wir jetzt gegen das Kraftwerk. Bei den Verhandlungen zum Koalitionsvertrag war ausschlaggebend, dass wir grüne Punkte durchsetzen konnten und eben die Chance, überhaupt grüne Politik in Wiesbaden machen zu können.

Aktuell diskutieren Sie mit Ihren Koalitionspartnern die Gründung eines Landschaftsschutzgebietes rund um Wiesbaden. Die Frist ist beinahe abgelaufen, aber die Koalition hat sich noch nicht einigen können. Hier könnten sich die Grünen sehr gut einbringen. Woran hapert es?

An den unterschiedlichen Vorstellungen der Koalitionspartner. Für uns hat Natur- und Landschaftsschutz einen hohen Stellenwert, deshalb müssen wir klug verhandeln. Wir orientieren uns aber auch da an der Sache und wenn ein Kompromiss möglich und tragbar ist, dann machen wir das auch.

Welche Streitpunkte gibt es noch in der Koalition?

Zum Beispiel bei Bebauungsplänen. Da sagen CDU und FDP: Je mehr Baugebiete desto besser, dann kommen Familien hierher, und das kurbelt wiederum die Wirtschaft an. Wir dagegen wollen die Bebauungsgebiete nicht gleich ausweiten, sondern zunächst überprüfen, wie sie umwelt- und sozialverträglich verdichtet werden können. Wir wollen nachhaltig mit Natur und Umwelt umgehen.

Und welche Perspektive hat die Jamaika-Koalition in Wiesbaden?

Es geht ja nicht um die Koalition per se, es geht immer nur darum, abzuwägen: Ist es gut für die Stadt? Und ist es noch grüne Politik? Es wird sicherlich dann von der Partei die Reißleine gezogen, wenn es an die inhaltliche Substanz geht. Aufgrund der Finanzkrise wackelt im Moment die Finanzierung des Kohlekraftwerks. Wenn CDU und FDP jetzt zum Beispiel forcieren würden, dass die Stadt Bürgschaften zur Absicherung des Baus gibt, dann würde die Partei sicherlich die Reißleine ziehen.

 

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