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Politik ohne Partei

10.09.2009 20:19, Lena Brochhagen

DUISBURG. Er war die Nachwuchshoffnung der CDU in Duisburg. Doch vor vier Monaten trat Stephan Krebs, 24, aus der Partei aus – und macht ihr nun mit dem Wählerbündnis “Junges Duisburg” Konkurrenz. Im August gewannen die Jungpolitiker einen Sitz im Stadtrat. Sie fallen auf mit Jugendpolitik und Anti-Parteien-Rhetorik – damit haben solche Abspaltungen immer häufiger Erfolg.

Ein paar Wochen erst machen Stephan Krebs und Christiane Wedding Politik, schon haben sie die gleichen Probleme wie der Oberbürgermeister: Ihre Wahlplakate wurden bemalt. Christiane Wedding hatten sie nur eine Strähne über die Stirn gemalt; Stephan Krebs zierten Bart und Nasenring und auf seiner Stirn stand: “Ich bin doof.”

Stephan Krebs und Christiane Wedding lachen – gegen die flächendeckende Ãœberklebung der Bürgermeisterplakate in der Innenstadt ist das nichts. Und überhaupt geben sich die beiden Studenten ziemlich locker, schließlich hat Krebs nach drei Monaten Wahlkampf einen Sitz im Stadtrat errungen. Aus Frust über starre Hierarchien und Geklüngel hatten Krebs und Wedding mit einem Dutzend Nachwuchspolitiker die CDU verlassen und im Mai “Junges Duisburg” gegründet. “Wertorientierte” Jugendpolitik will das konservative Bündnis machen.

“Junges Duisburg” macht Stimmung gegen die großen Parteien – die Jungpolitiker wettern gegen Klüngel, undurchlässige Hierarchien und mit Posten gekaufte Stimmen. Sie wollen alles anders machen. “Flach” sollen die eigenen Hierarchien sein, basisdemokratisch eben. Jeder soll mitdiskutieren, auch wenn die Treffen dann bis nachts um halb drei dauern. Gute Ideen entstünden so, versichert Krebs “Und die würde nicht rauskommen, wenn man sich in einem Hinterzimmer versteckt – so machen das große Parteien – dann zu Dritt bei einem Pils irgendwas berät und das als Masterlösung verkauft, wenn alle anderen sagen, das ist doch scheiße. Das machen wir eben nicht.”

Mit solcher Kritik agiert “Junges Duisburg” wie viele Parteiabspaltungen, sagt Jan Treibel, Politikwissenschaftler an der NRW School of Governance der Universität Duisburg-Essen:  “Sie surfen auf der Welle der Parteienverdrossenheit.” Auch mit solcher Kritik hat das Wählerbündnis 55 Mitglieder gewonnen, einige davon Abtrünnige der Jungen Union. Die Mitglieder sind im Schnitt 22,5 Jahre alt.

Jetzt wollen sie einen neuen Politikstil etablieren: “Ehrlich. Einfach ehrlich”, soll der sein, sagt Krebs. Er will den Wähler klar sagen, was das Bündnis vorhat – “auch, dass bestimmte Dinge nicht gehen.” Duisburg hat hohe Schulden, steht unter Finanzaufsicht. Einen eigenen Dienstwagen braucht deshalb nicht jeder Amtsleiter, finden die jungen Konservativen. Und sie sagen, wo sie sparen wollen. Duisburg könnte sich zum Beispiel eine Philharmonie mit den Nachbarstädten teilen, sagt Christiane Wedding.

Konsensfähiger sind die jugendpolitischen Forderungen des Wählerbündnisses: Das Jugendparlament soll ausgeweitet werden, mehr Nachtbusse fahren. Auch die Integration von Jugendlichen will das Bündnis fördern, sagt Vorsitzender Stephan Krebs, der in Marxloh aufgewachsen ist, einem von türkischen Migranten dominierten Stadtteil.

Im Rundgang durch das Viertel erklärt Krebs die Politik von “Junges Duisburg”. Neben seiner alten Grundschule steht das Jugendzentrum “Kiebitz”, das eine türkischstämmige Geschäftsführerin leite. Solche Projekte erleichterten Integration, weil Jugendliche mit Migrationshintergrund sich stärker angesprochen fühlten sagt Krebs, die will er fördern.

Dann führt Krebs zur Merkez-Moschee, die bei ihrer Eröffnung 2008 Schlagzeilen gemacht hat, weil sie ohne den üblichen Zank entstand und die Gemeinde auch nicht-muslimische Nachbarn einbindet. Das “Wunder von Marxloh” gilt als Vorbild, wie Integration ablaufen kann. Auch Krebs präsentiert die offen wirkende Moschee mit den großen Fenstern durchaus mit Stolz.

CDU-nahe Werte, wie sie “Junges Duisburg” vertritt, seien auch für Migranten attraktiv, meint der Jungpolitiker – beim Thema Wahlrecht für Ausländer aber schränkt er ein. Wer lange in Deutschland lebe, solle doch einfach die deutsche Staatsbürgerschaft annehmen, findet auch “Junges Duisburg”-Mitglied Marcel Pinto Abrantes, dessen Großvater aus Portugal zur Arbeit im Duisburger Hochofen kam

Die Inhalte gleichen sich, doch der örtlichen CDU schmeckt die Abwanderung naturgemäß wenig. “Das bedeutet für die CDU, mindestens ein Ratsmandat weniger zu haben und ein hohes Potenzial an jugendlichen Nachwuchskräften zu verlieren”, sagt CDU-Oberbürgermeister Adolf Sauerland. Er zeigt aber Zuversicht, dass die Jungen wieder eingefangen werden, spricht schon in der Vergangenheit: “Ich fand, das Experiment “Junges Duisburg” war wirklich interessant.” Die Jungpolitiker müssten ihren Erfolg reflektieren, statt ihn schlicht zu genießen: “Es geht nicht darum, sich selbst zu befriedigen, sondern Politik für die Bürger der Stadt zu machen. Das ist ja kein Selbstbefriedigungsorgan, der Rat.”

An Sauerland soll es nicht liegen: Ihn schätzen die Jungpolitiker. In der örtlichen CDU aber müsse sich etwas ändern, sagt der Oberbürgermeister über seine Partei, als gehöre er nicht dazu: “Das ist ihr Potenzial. Und das kann man nicht so einfach ein bisschen rumvagabundieren lassen, das muss man wieder anbinden.” Die Parteioberen müssten mit den Abtrünnigen sprechen.

Ähnlich erklärt Politikwissenschaftler Treibel die Abspaltung. Solche Entwicklungen seien das Ergebnis von Fehlern in der Fraktionsführung: “Dann hat das Politikmanagement versagt.” Politikmanager, etwa Fraktionschefs, müssten Unzufriedene einbinden, doch gerade in größeren Fraktionen falle das schwer.

Abtrünnige Wählerbündnisse gehören daher zum “Charakter der Kommunalpolitik”, sagt Treibel. Auf dieser Ebene sei die Fraktionsdisziplin geringer als in der Bundespolitik. Zudem begünstigt das neue Kommunalwahlrecht in Nordrhein-Westfalen kleinere Gruppierungen – Stephan Krebs zum Beispiel reichten 1858 Stimmen für den Ratssitz. Je ein Sitz ging an vier weitere kleine Wählerbündnisse.

“Junges Duisburg” steht für einen Trend, sagt der Forscher: “Durch das neue Wahlrecht wird es häufiger zu Abspaltungen kommen. Die Räte werden generell bunter.” Dem Wählerbündnis “Junges Duisburg” bescheinigt er Erfolgsaussichten, die Jugendorientierung sei “klares Alleinstellungsmerkmal”. Dass diese Politik sich durchsetzen kann, zeigt die Jung-Partei “Peto” im nahen Monheim. Der “Peto”-Kandidat wurde gerade zum Bürgermeister gewählt. Ein Vorbild, ganz klar, sagt Stephan Krebs.

 

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