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Herr Hohenzollern, äh… Durchlaucht

30.08.2009 12:52, Malte Göbel

erschienen am 8. September auf Spiegel Online.

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Foto: Milos Djuric

SIGMARINGEN. Fremde tun sich schwer, die Einheimischen aber wissen, wie sie “ihren” Fürsten anzureden haben. Prinz geht, Durchlaucht auch, Hauptsache höflich und respektvoll. Denn die Familie Hohenzollern hat in Sigmaringen bis heute großen Einfluss – als zweitgrößter Arbeitgeber und in der Lokalpolitik.

Der Blick ist der gleiche wie vor Hunderten von Jahren: Sigmaringen drängt sich an das majestätisch darüber aufragende Hohenzollern-Schloss. Fast scheint es, als sei die Zeit stehen geblieben. Nicht nur optisch: Denn die Hohenzollern, die einst das Schloss erbauten und dort residierten, gibt es immer noch in Sigmaringen. Die politische Macht haben sie zwar während der Revolution 1848 abgegeben. Aber ökonomisch nehmen sie weiter Einfluss, über Grundbesitz und die Unternehmensgruppe Hohenzollern. Ohne das Fürstenhaus läuft im Ort am Südrand der Schwäbischen Alb fast nichts. Und: Das stört hier niemanden.

Denn die knapp 17.000 Sigmaringer lieben “ihren” Fürsten und “ihre” Hohenzollern. “Der Fürst ist eine Art Vaterfigur”, sagt beispielsweise der 72-jährige Textilingenieur Manfred Niederdraeing, der am Wochenende mit seiner Frau über den Flohmarkt schlendert. Im Prinzip habe er etwas gegen Adlige, das sei einfach nicht mehr zeitgemäß – “aber sie haben einen ganz gewaltigen Vorteil: Sie denken in Generationen, nicht in Wahlperioden”. Politiker kommen und gehen, die Fürsten bleiben – und fühlen sich auch verantwortlich für die Leute in der Stadt. Das gefällt Manfred Niederdraeing. “Wenn es seinen Firmen mal schlechter ging, hat der alte Fürst lieber in Kanada ein Stück Land verkauft, um die Leute zu halten.”

Wie er hat kaum jemand im Ort Kritisches über das Haus Hohenzollern zu sagen. “Man kann sich Sigmaringen nicht ohne Fürst vorstellen, der gehört einfach dazu”, erklärt Ute Korn-Amann, Lokaljournalistin der “Schwäbischen Zeitung”.

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Foto: Milos Djuric

“Der Erbprinz ist nicht so ehrenkäsig”

Wenn Erbprinz Karl Friedrich durch die Stadt geht, reden die meisten ihn mit “Durchlaucht” an, obwohl das als Titel gar nicht mehr notwendig wäre. Das sei einfach Höflichkeit, sagen die Leute hier. Ein Ansprechen in der dritten Person (“Haben Durchlaucht einen schönen Abend gehabt?”) werde nicht erwartet, und wenn mal jemand nicht “Durchlaucht” sage, sei das auch nicht schlimm. “Der Erbprinz ist da nicht so ehrenkäsig”, erklärt Ute Korn-Amann. Auf Nachfrage, ob man ihn denn mit “Durchlaucht” ansprechen solle, sagt Erbprinz Karl Friedrich selbst: “Wenn Sie das so machen wollen, gerne. Sie können auch Prinz von Hohenzollern sagen.”

Politisch steht der Erbprinz ungefähr da, wo die Sigmaringer auch sind: Er gehörte 2005 dem Wirtschaftsrat der CDU an, 50 Prozent der Sigmaringer wählten bei der vergangenen Bundestagswahl konservativ. Und natürlich ist Karl Friedrich zu Hohenzollern auch ein Fan von Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU). “Er hat etwas, was die meisten Politiker heute nicht mehr haben. Er hat eine gute Erziehung und eine gute Ausbildung. Und er ist finanziell unabhängig – und damit natürlich auch politisch unabhängig.”

Ähnliches gilt für die Hohenzollern. Seit 300 Jahren betreibt das Fürstenhaus die Metallverarbeitung im Laucherthal bei Sigmaringen – und ist so nach der Bundeswehr mit etwa 3000 Beschäftigten zweitgrößter Arbeitgeber der Region. Der Betrieb ist profitabel: Vor der Wirtschaftskrise lag der Jahresumsatz bei 600 Millionen Euro, der Gewinn bei 33 Millionen. Inzwischen gab es Auftragseinbrüche um bis zu 60 Prozent, erklärt Karl Friedrich Erbprinz zu Hohenzollern. “Wir denken aber, dass wir unsere Kernmannschaft im Betrieb halten können und fast ohne Entlassungen auskommen.” Trotz starker Abstriche werde man das Niveau von 2005 erreichen.

Der Landrat berichtet nur Gutes über die Hohenzollern

Landrat Dirk Gaerte, ein agiler Macher-Typ von der CDU, betont die Bedeutung des fürstlichen Industriebetriebs für die Region. “Wir haben aktuell vier Prozent Arbeitslosigkeit”, berichtet er, “wenn es schlecht läuft, werden es aber auch nicht mehr als sechs oder sieben Prozent.” Er kann nur Gutes über die Hohenzollern berichten. “Das Fürstenhaus ist selbstverständlicher Teil dieser Landschaft. Sie bringen Tradition, Struktur und Arbeitsplätze. Man ist stolz auf sie.”

Natürlich bedeutet das auch ökonomische Abhängigkeit. Udo Gräser, der auf dem Sigmaringer Wochenmarkt Würste verkauft, kennt viele, die beim Fürsten arbeiten. “Das beeinflusst natürlich die Leute. Wir haben früher bei uns Zuhause gesagt: Wessen Brot ich ess, dessen Lied ich sing. Da ist was dran.” Gräser gilt im Ort als Kultfigur, liebevoll nennt man ihn “Wurst-Udo”. Er kennt fast jeden, redet mit allen und sollte sogar schon einmal als Bürgermeisterkandidat aufgestellt werden, weil er so ein uriger Typ ist. Und auf den Fürsten möchte er nichts kommen lassen: “Der Fürst engagiert sich sehr für die Bevölkerung, seinen Einfluss nutzt er mehr zum Wohle als zum Negativen, so wie ich es sehe.”

Neben der Fabrik macht die Fürstenfamilie auch über ihren Landbesitz Einfluss geltend. 14.000 Hektar Wald gehören dem Fürstenhaus – vor den Weltkriegen war es zwar noch mehr in Pommern, Schlesien und Böhmen, doch nach 1945 kauften die Hohenzollern viel Wald in Kanada. Im Fall einer kommunistischen Machtübernahme hätten sie dann dort ein Rückzugsgebiet gehabt.

Prinzengarten oder Auto-Tunnel?

Auch um Sigmaringen besitzen die Hohenzollern viele Ländereien: Bei größeren Projekten ist die Stadtverwaltung immer auf die Kooperationsbereitschaft des Fürstenhauses angewiesen: Etwa bei der Vorbereitung der kleinen Landesgartenschau im Jahre 2013 oder Verschönerungsmaßnahmen in der Stadt wie der Instandsetzung des Prinzengartens oder der Josefskapelle. Als “rundum gut” bezeichnet Bernt Aßfalg, parteiloser stellvertretender Bürgermeister von Sigmaringen, die Zusammenarbeit mit dem Fürstenhaus. “Das Fürstenhaus ist permanent präsent in der Stadt und den städtischen Belangen gegenüber auch immer sehr aufgeschlossen.”

Dass es nicht immer so problemlos läuft, zeigen die vor einigen Jahren vorgestellten Pläne zur Untertunnelung der Bahnlinie. Am Bahnübergang kurz vor der Innenstadt stauen sich oft die Autos, und eine Unterführung sollte Abhilfe schaffen. Da der Tunnel mit dem Prinzengarten Grundstücke der Fürstenfamilie berührte, musste deren Zustimmung eingeholt werden.

Erbprinz und Kommune waren sich auch schnell einig, ein Architektenwettbewerb wurde ausgeschrieben. Doch dann sperrte sich der Fürst, der sich um seinen Park sorgte, und das Projekt musste ad acta gelegt werden. Der stellvertretende Bürgermeister Aßfalg bestätigt das indirekt, indem er sagt, dass das Projekt “sowohl aus Kostengründen wie auch aufgrund dieser Widerstände” eingestellt worden sei.

“Ich glaube nicht, dass sich jemand die Monarchie zurückwünscht”

Wie es läuft, wenn es nicht läuft, also wenn Kommune und örtliches Fürstenhaus nicht zusammenarbeiten, zeigt das etwa 15 Kilometer entfernte Meßkirch, im Einflussbereich des Hauses Fürstenberg von Donaueschingen. Dort wird gerade die Kirche St. Martin renoviert, die sich im Besitz der katholischen Gemeinde befindet, sie ist eingerüstet und in blaue Folie gehüllt – nur die an die Kirche angebaute Nepomukkapelle bleibt unberührt. Denn die Kirche gehört der Gemeinde, die Kapelle dem Haus Fürstenberg, wo man für eine Renovierung keine Dringlichkeit sieht. Dabei liegt die letzte über 80 Jahre zurück, der Putz blättert ab, möglicherweise muss das Dach komplett erneuert werden. Wann das passiert, ist unklar. “Wir verhandeln noch mit allen Beteiligten und suchen eine einvernehmliche Lösung”, erklärt Lothar Bix, Vorsitzender des Bauförderungsvereins St. Martin.

Dass es mit dem Erbprinzen in Sigmaringen zu einer Situation wie in Meßkirch käme, ist unwahrscheinlich. Dafür fühlt er sich zu wohl, sein Verhältnis zur Bevölkerung nennt er “sehr gut”. Er ist im Ort aufgewachsen und zur Schule gegangen. “Ich kann über die Straße laufen, ohne angeglotzt zu werden, ich kann mich völlig normal bewegen, und genieße trotzdem aufgrund der Dinge, die wir bewegen, Respekt.” Der Erbprinz gilt als hervorragender Saxofonspieler und tritt regelmäßig mit seiner Jazzband “Charly and the Jivemates” in Sigmaringen auf. Sein Onkel, Zweitgeborener und damit nicht erbberechtigt, handelte früher mit Eiern und wurde deswegen im Ort “Eierprinz” genannt. “Wir sind sicher in Sigmaringen die größte Touristenattraktion”, sagt der Erbprinz und kann damit nur sein Schloss meinen.

Die Hohenzollern haben in Sigmaringen definitiv noch Einfluss – die Zeiten einer fürstlichen Stadtherrschaft sind jedoch vorbei. “Ich glaube nicht, dass sich jemand hier die Monarchie zurückwünscht”, erklärt der Würstchenverkäufer Udo Gräser. 2005 lag die Wahlbeteiligung bei 76,5 Prozent, was in etwa dem Bundesdurchschnitt entspricht. Die Sigmaringer gehen nicht weniger gern zur Wahl als die anderen Deutschen – und leben ganz gut mit ihren Hohenzollern. Das schließt sich ja nicht aus.

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Foto: Milos Djuric

 

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