TV-Duell: Merkels Heimspiel in der Kneipe
13.09.2009 13:39, C. SalewskiFoto: Milos Djuric
OSNABRÜCK. Die Straßen in Osnabrück sind an diesem Sonntagabend wie leergefegt. Das mag an Osnabrück liegen. Oder daran, dass TV-Duell-Zeit ist. In der “Peitsche” sammeln sich die Anhänger der Kanzlerin.
Die Kneipe, in der sich der bürgerliche Konservatismus versammelt, trägt den einprägsamen Namen “Peitsche”. Nicht “Zur Peitsche”, einfach “Peitsche”. Draußen ist angeschlagen, was heute geboten wird: “Angie vs. Steini live auf der Leinwand”. Das lockt immerhin knapp 30 potentielle Wähler in den zugequalmten Hinterraum. Die dunkle Holzvertäfelung hat wie viele der Zuschauer das Rentenalter erreicht. Der Wirt Sebastian Heukamp hingegen ist Vertreter der Jungen Union. Mit 35 Jahren.
Heukamp nimmt es sportlich, dass der Wahl-O-Mat ihm empfohlen hat, für die Piratenpartei zu stimmen. Erstaunt sei er schon gewesen, aber das politische Weltbild ist nicht in Gefahr. Als Steinmeier sich auf der Leinwand als einzig wahrer Opel-Retter in Szene setzt, zischt Heukamp nur: “Privat fährt der wahrscheinlich Mercedes.” Es soll wohl so etwas wie ein Argument sein.
Seine Gäste tauen nach dem zweiten Bier langsam auf. Ein Senior beschimpft Steinmeier als “Lügner” und “Mistkerl”. Er hat schon zwei Schnäpse Vorsprung. Dabei ist auf der Leinwand bisher nur Friede, Freude, Eierkuchen. Als Frank Plasberg die Duellanten daran erinnert, dass eigentlich Wahlkampf mit Betonung auf Kampf herrscht, raunt ein Mann hinter seiner Lesebrille: “Nicht die Politiker streiten sich heute, sondern die Moderatoren.” Schon ist ein konsensfähiges Thema gefunden: “Die Illner verdient ja viel mehr als Merkel”, sagt eine resolute Dame. Obwohl beide aus Ostdeutschland kämen. Ihr Nebenmann sieht die Chance für einen Lacher: “Und sie ist produktiver”, setzt er nach. Kichern.
Im Fernsehen geht es jetzt um Ulla Schmidt und die Gesundheitsreform. In der “Peitsche” geht es um ihren Dienstwagen. Als auch Steinmeier das Wort Dienstwagen in den Mund nimmt, frohlockt ein bärtiger Gast: “Eigentor!” Jetzt hat die Dame ihren Auftritt, die findet, dass die Kanzlerin zu wenig verdient. “Die SPD will Verhältnisse wie in der DDR schaffen”, sagt sie. “Alles soll gleich gemacht werden. Gemeinschaftsschulen, Krankenversicherung. Und die Börsensteuer, die trifft die kleinen Leute, die die Riester-Rente haben, nicht die Börsianer.”
Endlich versucht die Kanzlerin so etwas wie eine Offensive, greift die linke Flanke ihres Herausforderers an. Die SPD würde ja auch mit der Linken undsoweiter. In der Peitsche ist man zufrieden bis begeistert. “Jetzt kommt sie ja mal langsam, hat ja lange gedauert”, sagt Einer. “Super, gut”, sagt ein Anderer.
Dann setzt Steinmeier zum Schlusswort an, spricht direkt in die Kamera und damit direkt in die “Peitsche”. Er hebt an: “Aus der Krise…” Doch weiter kommt er nicht. “Nicht mit der SPD! “, stößt es aus einem Gast heraus. “Auswendiggelernt!”, ruft sein Nachbar. Es wirkt so, als würde ein Kind “Ätschi-Bätsch!” rufen, auch wenn es etwas anders klingt. Bei Merkels Schluss-Statement herrscht dann andächtige Stille. Als sie fertig ist, applaudieren die Gäste. Die Kanzlerin ist in der “Peitsche” die klare Siegerin. Auch wenn es dafür kein TV-Duell gebraucht hätte.
Text: Jens Christian Kage, Christian Salewski
siehe auch: Steinmerkel im TV
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